Full text: Augsburger Schultheater unter Sixt Birck

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aufführungen bestimmt sind. Dies geht aus den Vorreden der 
Augsburger Drucke hervor und wird durch die Personenzahl 
bestätigt, die eine Schüleraufführung sehr unwahrscheinlich 
macht: während Ezechias vierzehn Rollen hatte, erfordert 
Joseph siebenundvierzig, Judith sogar sechsundfünszig Dar¬ 
steller. Doch kann man annehmen, daß auch Schüler bei der 
Aufführung mitwirkten: dafür sprechen die zahlreichen größeren 
Knabenrollen wie Daniel und Promptulus, die meist die päda¬ 
gogische Absicht des Dichters auszusprechen haben. Man wird 
schließlich die Grenze zwischen Schul- und Bürgeraufführung in 
Basel überhaupt nicht zu fest annehmen dürfen; schon die auf¬ 
fallende Tatsache, daß bei den reinen Schulaufführungen die 
deutsche Sprache möglich war. spricht sehr dafür. Das Publikum 
wird in beiden Fällen das gleiche gewesen sein. 
Beide Dramen zeigen die gleiche Stilmischung wie die 
Susanna. Bullingers Einfluß tritt ganz besonders bei der 
Charakterisierung der Personen in der Judith zutage. Birck 
typisiert genau nach den Anweisungen Bullingers am Schluß 
der Lucretia: Judith entspricht Lucretia, Ozias dem Brutus, 
Holofernes dem Tarquinius. Das läßt sich bis zu den einzelnen 
Wachen und Soldaten weiterverfolgen. Auch die Standort- 
Technik wird beibehalten: die Stadt Bethulia liegt entfernt vom 
Lager des Holofernes, und in Aegypten find die Häuser des 
Potiphar, des Pharao und der Kerker getrennt. Man harf 
eigentlich nicht von Häusern sprechen: alles spielt vor den Türen 
der einzelnen Häuser, der Eintritt ins Haus gilt bei Birck wie 
bei Bullinger als Abgang. 
In seiner eignen Technik der Akteinteilung zeigt Birck 
weitere Fortschritte: im Joseph gibt es sechs zeitdeckende Chöre, 
die eine ziemlich gleichmäßige Siebenteilung des Stückes be¬ 
wirken, ohne daß die Akte als solche bezeichnet sind. In der 
Judith wird dann zum erstenmal die Fünszahl erreicht^. Dazu 
kommt in dieser Tragödie noch ein weiterer ,,klassischer" Zug: 
Calliopius tritt am Schluß hervor und spricht die Worte: 
„Wolan es ist das spyl yetz auß." Wie Birck gerade in dieser 
Zeit dazu kommt, diese Gestalt, Symbol humanistischen Mi߬ 
verständnisses, einzuführen, läßt sich nicht erkennen. Wichtiger 
als das ist die Feststellung, daß seine ursprünglich humanisti¬ 
sche Einstellung sich immer mehr neben dem traditionell Bolks- 
34. Bei dieser Zählung ist berücksichtigt, daß nicht alle Chorgesänge 
Zeit chöre sind. Sowohl in der Judith als auch im Joseph gibt es je 
einen Chor, der zur Handlung gehört: das ist das Gebet des Rates von 
Bethulia und das Chorlied bei der festlichen Bewirtung von Josephs 
Brüdern.
	        
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