Full text: Augsburger Schultheater unter Sixt Birck

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und an anderer Stelle unbefugt zum Druck und zur Aufführung 
gebracht wurde. Wirklich erschien das Buch am 11. Febr. 
1533 — das ist zugleich das Datum des erwähnten Briefes — 
bei Thomas Wolf in Basel, aus dessen Druckerei sowohl die 
Susanna wie die Fünfferley Betrachtnusse hervorgegangen wa¬ 
ren. Damit ist aber keinerlei Hinweis auf den Urheber des 
Diebstahls gegeben. Gegen die Annahme, daß Birck wider¬ 
rechtlich sich das Manuscript angeeignet und das Stück dann 
öffentlich gespielt habe, sprechen mit aller Entschiedenheit seine 
langjährigen freundschaftlichen Beziehungen zu Oporin, die 
doch wohl durch einen solchen Schritt eine Trübung hätten 
erfahren müssen. Viel glaubhafter ist aus dem gleichen Grund 
die Vermutung, daß Birck noch vor 1533 die Lucretia als 
Manuscript bei Oporin kennengelernt hat, und daß damit die 
gesuchte Beeinflussung gefunden ist. 
Die Stoffwahl spricht zugunsten dieser Annahme: wer das 
Motiv des unschuldig verfolgten Weibes aus der antiken in die 
biblische Sphäre übertragen will, muß vom Lucretia- zum 
Susanna-Stoff kommen^. Aus dem Titel ergibt sich eine 
weitere Bestätigung: Birck nennt die Susanna ,,History" und 
weicht damit von seiner üblichen Gattungsbezeichnung ab. Alle 
übrigen deutschen Stücke nennt er Tragödie, die einzige Aus¬ 
nahme ist Joseph als Komödie. Diese Abweichung gibt die 
Erklärung, nach welchen Gesichtspunkten Birck die Dramen¬ 
gattungen scheidet. Es handelt sich noch nicht wie in späterer 
Zeit um glücklichen oder unglücklichen Ausgang, sondern der 
Maßstab ist die lateinische Komödie. Ihr steht für das Gefühl 
dieser Zeit der Joseph durch seine Dienerszenen, besonders durch 
die Gestalt des Gnatho nahe^^. In den übrigen Stücken fehlen 
diese komödienhaften Züge, es sind darum Tragödien. Bei 
der Einordnung der Susanna, die nach seinem sonstigen Ge¬ 
brauch als Tragedi zu bezeichnen wäre, liegt Birck nur daran, 
sich möglichst volkstümlich zu geben: er paßt sich mit der 
Bezeichnung ,,History" dem ,,Spil" Bullingers an. 
30. Daß B. durch die 8u83nna des Placentius angeregt worden ist, 
erscheint nach Vergleichung der im selben Jahr erschienenen Dramen kaum 
möglich. Gerade das Fehlen aller niederländischen Einflüsse ist für die 
dramatische Produktion der Schweiz charakteristisch. 
31. Zur Frage der Dramengattungen äußert sich ein Zeitgenosse 
B.'s, Christoph W i r s u n g aus Augsburg in der Vorrede seiner Celestina- 
Uebersetzung (Ain hipsche Tragedia von zwaien liebhabenden mentschen 
ainem Ritter Calixstus vnn ainer edlen iunckfrawen Melibia . . . Augs- 
Purg 1520): „es mag auch mitt guotter schicklichkait ain Comedia genant 
weroen, der vrsach die weil gedachtz büechlin ain erliebung zwayer iüngen, 
d:e vntreu der diener vnnd dienst diernen. . anzaygt."
	        
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