— 50 —
arbeitung wieder die Quelle herangezogen hat. Die Schulsinger
hafteten so eng an ihrem Bibeltexte, daß sie lieber einmal etwas
fortließen, als daß sie gewagt hätten, ein paar Sätze zusammen¬
zuziehen.
Der wichtigste Unterschied, den wir bei einer Oergleichung
der Schwänke des Dichters beobachten, die zugleich in Lied-
und Spruchfassung vorliegen, betrifft die Ausdehnung der Moral.
Denn während diese im Liede, das in einer Mehrzahl der Fälle
aus nur drei Gesäßen besteht, nicht mehr als den letzten Ub-
gesang oder allenfalls das letzte Gesäß einnimmt, erscheint sie
in der Spruchfassung oft ungeheuer erweitert. Die begrenzte
Form des Liedes gab dem Dichter zwar insoweit freien Spiel¬
raum, als er die Darbietung des Stoffes bis zu einer beliebigen
Stelle innerhalb der dritten Strophe ausdehnen konnte, sie wies
aber zugleich der Moral ziemlich enge Schranken. So nimmt
denn die Schlußbetrachtung bald die ganze dritte Stropheh, bald
nur zwei Zeilen ein"). Buch wo ausnahmsweise die Spruchsassung
die ältere ist* 3), läßt sich dieselbe Beobachtung machen.
Die Umarbeitung wurde zur einfachen Umschreibung (die
meist am gleichen Datum erfolgte), wo das Lied in einer der
reimpaar-artigen Weisen: im Uosenton oder in der Spruchweise
Sachsens oder in der Ubenteuerweise Folzens, abgefaßt warff,
nur daß der Dichter im Spruch gern in einem besonderen Ueim-
paar seinen Namen nennt. Uber auch sonst folgte er in seinen
Übertragungen oft wörtlich der Liedvorlageff; selbst die Streckung
der Liedvorlage zu vier Hebungen ist nicht überall erfolgt; so
singt der lateinisch redende Hahn in einem Spruchgedichte:
„Audj, vide et thace
Vis viuere in pace!“<;)
') z. B. Schwanke III Nr. 16.
2) B. Schwänke III Nr. 8; vgl. Schw. II Nr. 222. In der Spruch¬
fassung hat die Moral 46 Verse!
3) z. B. III 202, vgl. I 23; III 68, vgl. I 6; II! 3, vgl. ff. Sachs (Werke)
II S. 216 ff.
ff z. B. Schw. III 96: I 52; II! 114: I 59; UI 115: I 60; III 134: I 68,
III 141: I 71; III 11^ —119, 121: I 61 64
ff z. B. III 20: II 282.
ff II 188, v. 79 f„ vgl. III 137 und auch 1 69. vgl. ferner I 79 (aus III
233): I 71 (aus III 141) u. a.