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hing dar. hier finden wir eine ganz unklassische Verbindung
von Lyrik und Didaktik (Nr. 28), in dem Gedichte ..ctas hus
geschirr“ (35) ganz meisterfingerlich anmutende reichliche Nuf-
zählungen von Geräten, in Nr. 82 eine ähnliche Nuszählung der
Zünden, in der „tagweis von lewsen“ (Nr. 21) eine lustige Pa¬
rodie auf das alte Tagelied. Der Charakter der Übergangs¬
periode offenbart sich auch in der sprachlichen und metrischen
Unsicherheit vieler Lieder. Die Neime sind nur selten rein (wie
bei Nr. 2, 7, 8, 13), öfter unrein (z. B. 3, 5, 11) oder ganz
verderbt und durch bloße Nssonanz ersetzt (6, 9, 10, 25). Dem
Ztrophenbau mangelt in vielen Liedern die Regelmäßigkeit: die
Ztrophen haben verschiedene Verszahl (Teil l Nr. 9, 113, Teil ll
Nr. 65), oder es finden sich zwischen den einzelnen Ztrophen
Einschübe von geringerer Verszahl (2, 53, 57, 65, 78, 83), oder
der letzten Ztrophe werden noch ein paar Verse angehängt (69).
Nuch der Edelmann MuskatblutI, der in den ersten Jahr¬
zehnten des 15. Jahrhunderts dichtete, verleugnet nirgends den Ein¬
fluß der zunftmäßig abgeschlossenen Meisterdichtung. Die Poetik,
die Billigung der Tätigkeit des Merkers, die Nnsicht von der
Überlegenheit der vokal- über alle Instrumentalmusik, ja die
Ersetzung der sieben Künste, die Mügeln noch anerkannt hatte,
durch den Gesang, die Betonung der sittlichen Wirkung der Dicht¬
kunst — all dies stellt ihn an die Zeite der echten Meistersinger.
Zeine Marienlieder, dogmatisch, reflektierend, klügelnd, singen
das Lob der heiligen Jungfrau in unzähligen Bildern und ver¬
gleichen und bemühen sich vor allem um Erklärung des Geheim¬
nisses der unbefleckten Empfängnis. Zie haben reichere erotische
Zutaten als die eigentlichen Minnelieder, deren rhetorischer Wort¬
schwall sich oster in fade Wort- und Neimspiele auslöst und deren
korrekte platonik nur gelegentlich durch einen Nussall auf die
übertriebenen Forderungen der Damen unterbrochen wird.
Muskatbluts Sprüche, deren lyrische Maße mangelndes me¬
trisches Unterscheidungsvermögen verraten, sind größtenteils pole-
9 Keinz, Sitz.ber. d. bair. 6K. d. Miss. 1892 $. 646; uhland a.
a. D. 5. 325; Deltmann, Die polit. Gedichte ITT.s Bonner Diss. 1902;
Gervinus a. a. ©. 5. 191; Mayer u. N i e t s ch a. a. (D. S. 140. Die
ctnsgabe seiner Lieder ist von E. v. Groote, Lötn 1852, besorgt; dazn
wackernagel, Kirchenlied ll Nr. 650. 653f.