Full text: Zur Entwicklung und Bedeutung des deutschen Meistergesangs im 15. und 16. Jahrhundert

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2. Allgemeine Vorbemerkung über äußere 
und innere Form. 
wenn einige Forscher dem Meistergesang eine künstlerische 
Entwicklung überhaupt abgesprochen^) oder aber sie in einer 
absteigenden Bewegung des Verlaufs erkannt Habens, so drängt 
sich die Frage auf, in welcher weise sich vom 15. zum 16. Jahr¬ 
hundert die Beziehungen von Inhalt und künstlerischer Sorm 
gestaltet haben oder, da ja die poetischen formen im wesent¬ 
lichen die gleichen blieben: welcher der beiden Stoffkreise der 
äußeren Form in höherem Maße genügte, von der Antwort 
auf diese Frage nach dem Verhältnis von äußerer und innerer 
Form wird das relative ästhetische Werturteil über den Meister¬ 
gesang beider Epochen abhängen. 
Eins ist von vornherein klar: das feine Taktgefühl für die 
Unterschiede und die Bedingtheit der metrischen Formen, wie es 
die mittelhochdeutsche Blüteperiode betätigt hatte, war mit dem 
absterbenden Mittelalter zugrunde gegangen. Vor allem ist von 
einer sicheren Unterscheidung lyrischer und epischer Uusdrucks- 
formen nicht mehr die Uede. Dem Meistergesang ist die Wahl 
von Strophe oder Ueimpaar nicht mehr Selbstverständlichkeit, 
sondern Problem, und die Wechselbeziehungen einerseits zwischen 
einfachem, gefühlsmäßigem Inhalt (in der lyrischen Poesie) und 
komplizierterer metrischer Gliederung, andrerseits zwischen dem 
mehr verstandesmäßigen Inhalt epischer Dichtungen und schlich¬ 
terer sprachlicher Uusdrucksformen werden vielfach verkannt. Be¬ 
sonders die Form der Ballade (im weitesten Sinne) wird häufig 
mißbraucht. Ihrer Natur nach eine Mittelgattung zwischen Epik 
und Lyrik: dem Stoffe nach epischer Natur, der innern Form, 
dem Stimmungsgehalte nach lyrisch, als Ganzes dem volksliede 
verwandt, dient ihre Verwendung, zumal in den „Schwänken" 
des Hans Sachs, als sicherster Gradmesser künstlerischen Stilgefühls. 
y kfampe, Deutsche Kunst u. deutsche Lit. um die Wende des 16. Ihts., 
Vortrag, Nürnberg 1908, 5. 10. 
2) Uh 1 and, Schriften z. Gesch. d. vichtg. u. Sage, 2 Bd., Stuttg- 
1866. S. 324. 
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