Full text: Zur Entwicklung und Bedeutung des deutschen Meistergesangs im 15. und 16. Jahrhundert

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nähme*), unterrichten uns über die Aufnahme, die jene bei dem 
ehrbaren Durschnittsbürger fanden, und ersetzen uns damit die 
Kenntnisse, die wir für die jüngere Vergangenheit der — natürlich 
weit ausgiebigeren — Tagespresse verdanken. — 
von nicht zu unterschätzender Bedeutung war der sittlichende 
Einfluß der Meisterkunst auf weite Meise des deutschen Volks. 
Zu einer Zeit, da ein durch keinerlei theoretische Weltansicht ge¬ 
rechtfertigtes, durch keinerlei ästhetische Fonnung verschöntes, durch 
keine geniale Herausforderung des Schicksals veredeltes physisches 
Genießen nahezu alle Stände vom Kaiser und Katsherrn bis 
zum Bauern und Soldaten ergriffen hatte, haben die deutschen 
Handwerksmeister, nicht sowohl durch ihre Verskünste wie durch 
persönliche autoritative Einwirkung, ihre Gesellen und Lehrlinge 
veranlaßt, die abendlichen Mußestunden nicht in der Schenke, 
der würselstube oder dem Frauenhause, sondern bei ihrem Meister 
zuzubringen und von ihm die Singekunst zu erlernen. Sie haben 
das Interesse der heranwachsenden Handwerker-Generation auf 
eine ernste, ja heilige Sache gerichtet und ihren Ehrgeiz ange¬ 
stachelt, auch auf geistigem Gebiete die würde des Meisters zu 
erlangen. In seiner Vereinigung von Gemüt, würdigem Ernst 
und freundlicher Beschränktheit stellt ihr Bestreben einen spezifisch 
deutschen Tharakterzug dar, dessen späteres verschwinden einen 
unzweifelhaften Verlust für die deutsche Volkskultur bedeutet). 
Die Frage, ob wir es bei einem Liede mit dem Erzeugnis 
eines Meistersingers oder eines nichtzünftigen Dichters zu tun 
haben, wird streng genommen allein durch die Feststellung be¬ 
antwortet, ob der Verfasser nachweislich eine Singschule besucht 
habe^). Um aber die Grenzen der Betracktung nicht zu eng zu 
ziehn, um vor allem nicht alle anonymen Lieder beiseite lassen 
zu müssen, dürfte es das Beste sein, überall dort meistersingeri- 
schen Ursprung anzunehmen, wo ein Lied in meistersingerischer 
Form, also in einem Meistertone vorliegt. Denn die Form ist in 
erster Linie Kriterium für den Meistergesang; sie hat überall, 
wo sie von nichtzünftigen Dichtern verwendet wurde, deren Er¬ 
zeugnisse im Zinne des Meistergesanges beeinflußt. 
y Vgl. Nagel a. a. D. 5. 26 f. 
2) S, a. Goed eke-T itt mann, Liederbuch aus dem 16. Iht., Lpz. 
1881, S. 322 f. 
s) hampe, Spruchsprecher etc. S. 26f.
	        
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