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Ton wurden häufig angewandt, und vor allem Hans Sachs, der
auch in dieser Frage eine vermittelnde Stellung einnimmt, hat
Psalmen, Kirchen- und Liebeslieder in gefälligeren Strophenformen
gedichtet, in den sog. hoftönen, die von den eigentlichen Meister¬
tönen unterschieden wurdenh.
Vas rezeptive Verhalten des Meistergesangs gegenüber den
jeweiligen Tendenzen der Literatur und der Zeitstimmung über¬
haupt hat zur Folge gehabt, daß die große Masse der Meister¬
lieder sowohl des 15. wie des 16. Jahrhunderts theologischen In¬
halts ist: das 15. Jahrhundert verarbeitet die scholastische Dog-
matik, zu der seit Verbreitung der Drucke Trbauungsschriften
religiöse Allegorien und heiligenlegenden treten; seit dem Ein¬
wirken der Reformation tritt die Lutherische Gedankenwelt neben
den bloßen Paraphrasierungen von Bibeltexten in den Vorder¬
grund. Daneben spielen aber die weltlichen Dinge eine nicht un¬
beträchtliche Rolle: gerade bei Hans Sachs überwiegt sogar die
weltliche Meisterdichtung, und bei Beheim scheint das Gleiche der
Fall zu sein (s. u.) Reben der geistlich gefärbten Moral begegnen
wir auch rein weltlichen Mahnungen an Fürsten und Bauern. Zahl¬
reiche Gedichte belehren uns über die Anschauungen von Kunst
und Künstlern, über die Geschichte des Meistergesangs, die Sing¬
schule und die poetische Technik. Antike und deutsche Sagen,
geschichtliche Stoffe aus allen Zeiten und Ländern, Parabeln,
Fabeln und Märchen begegnen bereits im 15. Jahrhundert,
während die Ausbeutung der Schwankliteratur in der Haupt¬
sache dem 16. Jahrhundert angehört. Dazu kommt die fast un¬
übersehbare Menge von Liebesliedern und Lügenfabeln und
schließlich die große Zahl der Gedichte, die sich in Stoff und
Form dem Volksliede nähern. Gerade die Mannigfaltigkeit des
in den Meisterliedern verarbeiteten Stoffes läßt ihren hohen kultur¬
historischen Wert erkennen. In der Tat gewähren uns diese
Lieder intimen Einblick in das bürgerliche Leben jener Zeit.
Sie behandeln die zeitgenössischen Ereignisse mit gesunder partei-
h Über den umgekehrten Vorgang: Beeinflussung des Volksliedes durch
den Meistergesang r^l. Ge nee, H. Sachs u. s. Zeit, Lpz. 1894, S. 255'
276f.;lloch, Meistersinger a. a. CD. S. 113; Gervi n us a. a. G. 5. 234f.;
Goedeke, Grdr. I? 5. 247.