Full text: Zur Entwicklung und Bedeutung des deutschen Meistergesangs im 15. und 16. Jahrhundert

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zur Reformation: in den ersten sturmvollen, von Ausschreitungen 
aller Rrt erfüllten Jahren blieb die Stellung der Meistersinger 
abwartend, erst dann erfolgte auf Grund ernstlichen Studiums 
der Lutherschen Schriften die endgültige Parteinahme für den 
Reformator, doch auch jetzt noch ohne radikale Einseitigkeit oder 
Unduldsamkeit). von nun ab war die Sache der Reformation 
die Sache des Meistergesangs. Ruf Jahrzehnte war fast der 
ausschließliche Stoff ihrer Lieder die Luthersche Bibel, die ganz 
systematisch, Buch für Buch, Kapitel für Kapitel, Mort für Mort, 
in die meisterlichen Strophen und Reimschemata hineingezwängt 
ward und somit die weiteste Verbreitung in den bürgerlichen 
Kreisen fand, hier hat der Meistergesang aktiv in die Geschichte 
der Reformation und somit des deutschen Volkes eingegriffen* 2); 
auch Luther wußte den Vorteil, den er durch das popularisierende 
Genie eines Hans Sachs für seine Lehre gewann, wohl zu schätzen. 
Menn die Meistersinger sich trotz ihrer sozialen Herkunft 
oft in bewußten Gegensatz zum Volk und zu allem volkstümlichen 
fetzten, so lag das in ihrer hohen Ruffassung der Dichtkunst be¬ 
gründet, die sie, die vermeintlich privilegierten Vertreter der allein 
rechten Kunstübung, vor jeder Berührung mit dem profanum 
vulgus und seiner Kunst schützen wollten, besonders vor jeder 
Berührung mit dem Volksliede, dessen ausgesprochen weltlicher 
Eharakter, dessen Individualismus und Raturinnigkeit allerdings 
in starkem Gegensatze zu der scholastisch-trockenen Rrt der erbau¬ 
lichen Meisterlieder steht). Die streng exklusive Meinung der 
Meister von ihrer Kunst ist ja auch für die Tatsache verantwort¬ 
lich, daß die Veröffentlichung von Meisterliedern durch den Druck 
untersagt war. Gleichwohl ist der prinzipielle Gegensatz von 
Volks- und Meisterdichtung in der Praxis nicht durchweg gewahrt 
geblieben, volksliedmäßige Motive, Meisen wie Bruder Veiten 
tz lfampe, Meistergesang u. Reformation, Monatshefte d. Comenius- 
Ges. vd. 7 (1898), S. 163f.; Hagel a. a. G. S. 83 ff.; vgl. auch das be¬ 
geisterte Lob Luthers bei Spangenberg, von der Musica u. d. Mstrsgrn., 
Hrsg, durch Rd. v. Keller, Stuttg. 1861, S. 137 f.; ferner Gervinus, 
Gesch. d. d. vichtg. II1 (1853) S. 243. 
2) Goedeke, Rezension des Schnorrfchen Buches, Gott. gel. Rnz. St. 2V 
(1872) S. 1138 ff. 
h vgl. z. v. Bragur Bd. 6.5. 162. Über die Rbkehr von der Volks¬ 
dichtung auch Burdach, Reinmar u. Malther, Lpz. 1880, S. 136. 30. 
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