12 —
immerhin noch recht umfangreiche Speculum universale des Vincenz
von Veauvais, das vom 13. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts
ein vielgebrauchtes Buch des allgemeinen Wissens war, welches
nicht nur auf Dante, sondern, wenn auch meist wohl nur indirekt
durch Auszüge und Bearbeitungen, ebenso auf die Meistersinger
entscheidenden Einfluß gewann. Erst sehr allmählich wurde die
aristotelisch-scholastische Bildung, die in solchen Werken nieder«
gelegt war und die selbst Hans Lachs noch sichtlich beeinflußt
hath, durch die humanistisch-protestantische Wissenschaft zurück¬
gedrängt").
Buch mit der jeweils vorherschenden Kirche hat der Meister¬
gesang stets in innigem Zusammenhange gestanden, wenn einige
Forscher behauptet Habens, die Meistersinger seien heimliche Ketzer
gewesen, so geht diese Annahme auf einseitige Auslegung einiger
schlecht verbürgter Nachrichten zurück, vor allem einer Ztelle des
29. Liedes der Llara hätzlerin, wo es heißt, daß der Augsburger
Lingschule präsidiere, „wer übel redt von pfaffen"h. Ln Wirk¬
lichkeit sind Opposition und Intrigue niemals Lache des Meister¬
gesangs gewesen. Leiner Natur entsprach es vielmehr, die Dinge
an sich herantreten zu lassen und erst nach genauer Prüfung des
Zür und Wider eine Entscheidung zu treffen. Nur so erklärt
sich die Ztellung der Meistersinger und ihres Führers Hans Sachs
') nicht nur in den theologischen Gedichten der ersten Periode, sondern
ebenso in profanwissenschaftlicher Beziehung, z. B. in den Gedichten, die
die NO Flüsse Deutschlands, die 100 Nrten Tiere, die 124 Fische und Meer¬
wunder oder Gegenstände des täglichen Lebens aufzählen. Dgl. auch
Schnorr a. a. G. S. 43 ff., Nr. 3.
2) R. v. Liliencron, Üb. d. Inhalt d. allg. Bildg. i. d. 3t. d. Scho¬
lastik, Festrede, München 1876.
3) Ludw. Keller, Die Kultgesellschaften der dtschn. Mstrsgr.. Monats¬
hefte d. Tomenius-Ges. Bd. II (1902) S. 274 fp S chweitzer, Etüde sur
la vie. . de H. Sachs, Paris 1887, S. 198.
4) Liederbuch der Tiara ffätzlerin, Hrsg. v. Paltaus, (Quedlinburg
u. Lpz. 1840. Doch muß der polemische Charakter des Liedes in Betracht
gezogen werden, der sich aus dem 3usammenhang ergibt, in den es bei
Liliencron, Dolkslieder Bd. 1 S. 41b, Nr. 90 gesetzt ist: es ist eine Ent¬
gegnung auf das Nl»est'sche Gedicht „Nugsburger Singschule" (Lil. Nr. 89),
das einen Nngriff der Städte auf Fürsten und Geistlichkeit enthält — cs
handelt sich um den Markgrafenkrieg —, und Nr. 90 ist ein Nngriff der
Gegenpartei auf die Städte.