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Neunzehenter örief.
S. den 12. Jul. 1793.
Gewiß, mein Lieber, es bedurfte Ihrer Versicherungen nicht,
um mich von dem warmen Antheil zu überzeugen, welchen Sie an
unserm traurigen Schicksal nehmen. Es bedurfte Ihrer freund¬
schaftlichen Bitten nicht, um mich zu bewegen die Nachrichten von
solchem fortzusetzen. Ich bedaure nur, daß jetzt, da ich die Feder
ergreife, es noch Ungewißheit ist, wann Sie diesen Brief erhalten
werden, doch mags sein! Einst in glücklicheren Zeiten mag er meine
Bereitwilligkeit Ihre Wünsche zu erfüllen bestätigen, bis dahin
aber in hundert Stückchen Zerschnitten an verborgenen Orten ruhen.
Diese Vorsicht ist uns jetzt zur Nothwendigkeit geworden, da das
französische Mißtrauen sich verschiedentlich geäußert hat und vor
ihnen nichts sicher ist.
Mehrere hiesige Fürstliche Bediente sind in ihren Häusern
von starken Detachements Gensd'armes überfallen und ihre sämt¬
lichen Papiere durchsucht worden, ob man nicht eine auswärtige
Correspondenz, besonders mit dem Fürsten darinnen entdecken
möchte. Glücklicherweise ist nichts entdecket worden. Sogleich
wurden aber von jedermann auch die gleichgültigsten Briefe den
Flammen geopfert. Denn konnte es uns nicht auch wie dem armen
Pfarrer Rebenack ergehen? Die Armee steht seit ihrem letzten Rück¬
zug mit republikanischer Contenance in dem Lager bei Forbach,
auf den Anhöhen bei Saarbrücken, und eine starke Garnison in
den Städten. Schon mehrmals verbreitete sich das Gerücht, daß
solche aufbrechen imb dem belagerten Mainz zum Entsatz eilen
würde. Allein es wurde bald wieder stille. Unterdessen aber
zeigen die Soldaten ihre Energie im Stehlen. Alle unsere Gärten
sind rein ausgeleert. Die meisten Besitzer derselben haben das
unreife Obst abschlagen lassen um die Bäume zu erhalten, welche
die Franzosen der Kürze wegen abhieben und mit dem Obst weg¬
schleppten. Unter den Dieben zeichnet sich das einst so respectable
Corps der Artilleristen ganz besonders aus. Diese scheint die
Republik als ihre stärkste wo nicht einzige Stütze anzusehen, des-
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