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in der Stunde seiner Ankunft sein Oheim mit zween Söhnen mit
einigen Hundert andern Unglücklichen mit Kartätschen erschossen
wurden; wie er Augenzeuge dieser Greuelthat sein mußte, nicht
eine Thräne vergießen durfte und nur erst, als die letzten Zuckungen
der Gemordeten aufgehört hatten, sein Pferd wenden und seine
Vaterstadt, wo er alles, was ihm lieb war, verloren hatte, ver¬
lassen konnte.
Aber auch andre, welche so schweres Unglück nicht gebeugt
hatte, haben sich rechtschaffen betragen. Selten haben die Offiziers
ihre Hülfe versagt, wenn sie von den hiesigen Einwohnern ange¬
rufen wurden, um Unordnungen der Soldaten zu steuern, doch da
sie keine Zwangsmittel gebrauchen durften, so waren ihre Be¬
mühungen gewöhnlich fruchtlos; und ihre Dienstfertigkeit in solchen
Fällen war auch nicht eine Zeit wie die andere, sondern formte
sich nach den Gesinnungen der allmächtigen Repräsentanten. Diese
waren immer nachtheilig für uns, und bei ihrer Anwesenheit zwang
die Furcht den bravsten Mann Wider seinen Willen jenen gemäß
zu handeln.
War aber die Rede nicht von Soldaten, so suchten sie uns
in jeder Angelegenheit, oft auch nicht ohne ihre Gefahr, gefällig
zu sein.
So viel ich mich erinnere, habe ich Ihnen in meinen vorigen
Briefen bereits mehrere Beispiele angeführt. Hier noch einen kleinen
Nachtrag.
Während der Anwesenheit des deutschen Heeres vor unsrer
Stadt war in einer unsrer Städte kein Brod zu haben, und ich
war genöthigt meine Magd in die andere Stadt zu schicken. Wegen
einer Bewegung der deutschen Vorposten war der Uebergang über
die Brücke ohne Erlaubsschein vom General verboten, und die
Magd wurde zurückgewiesen. Ich entdeckte meine Verlegenheit einem
Oberst von der Cavallerie, der bei mir wohnte, und dieser ging
auf der Stelle um einen Erlaubnisschein bei dem commandirenden
General Vincent auszuwirken, und da er ii)it nicht in seiner
Wohnung fand, ging er in die andre Stadt um ihn aufzusuchen-
Eine Viertelstunde nachher kam General Vincent selbst in meine
Behausung und meldete mir auf die höflichste Art, daß der Ueber-