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Lieben und zwanzigster üries.
S. den 13. Sept. 1793.
Leider ist der gewiß aufrichtige Wunsch am Ende meines
letzten Briefs nicht in Erfüllung gegangen. Archiers Finger sind
noch immer geschmeidig. Tücher, Leinwand, wollene Zeuge, Leder-
waaren sind bei den Kaufleuten, Krämern und Gerbern in Requi¬
sition gesetzt, d. h. im republikanischen neuen Stil ohne Bezahlung
weggenommen worden. Bei Gelegenheit einer Speichervisitation um
Früchte auszuwittern, ein edles Geschäft, dessen sich Archier selbst
nicht schämet, entdeckte ein Commissär eine Quantität rohe Wolle.
Auch diese verschmähte die Republik nicht, und nun wurde als¬
bald alle in beiden Städten befindliche rohe Wolle in Requisition
gesetzt und nach Metz transportirt.
Bon den Dörfern muß alles, was an Fourage vorräthig ist,
geliefert werden, und dabei sind die Landleute den abscheulichsten
Bexationen und Betrügereien der Commissärs ausgesetzt. Diese
nehmen das Heu niemals auf der Stelle in Empfang. Ehe solches
geschieht, wird oft die Hälfte gestohlen oder mit Gewalt genom¬
men. Nun soll der Fuhrmann das Ganze liefern und muß das
Fehlende nachholen oder dem Commissär mit Geld bezahlen. Hat
jener ein gutes Pferd am Wagen, so fordert ihms ein Commissär
für einen Spottpreis feil. Will ers nicht lassen, so wird seine
Fuhre in Requisition gesetzt, und er muß ohne Brod und Futter
ausharren, bis er zahmer wird, oder sich mit Zurücklassung seiner
Pferde oder des Wagens stüchten, welche dann versteigt werden.
Der schöne Lustgarten an dem Fürstlichen Schloß, welchen
Fürst Wilhelm Heinrich mit ungeheuren Kosten einem Sumpf und
dem Saarfluß abzwang, und welcher sehr artig mit angenehmem Busch¬
werk und Alleen angelegt war, ist nun auch vernichtet. Das Carabinier-
Regiment und einige andere Trupps Reiter haben ihr Lager in sol¬
chem aufgeschlagen und zur mehrern Bequemlichkeit alle Bäume,
Hecken und Alleen an dem Boden weggehauen. Wir werden es
also nicht mehr erleben in solchem beschattet zu wandeln. Wenn