richtung eines politischen Sonderregimes ab; lediglich
eine kurzfristige Nutzung der Kohlengru¬
ben wollte er Frankreich zugestehen. Dabei verwies er
darauf, daß prinzipielle Erwägungen die Ansprüche der
französischen Regierung unannehmbar erscheinen ließen,
indem sich die Feindbundmächte auf die von ihm
proklamierten Friedensgrundlagen verpflichtet hätten,
welche Annexionen ausschlössen und nur die Wieder¬
herstellung der Grenze von 1871, nicht aber die des
Jahres 1814 vorsähen. Man könne die Saarfrage nicht
dem elsaß-lothringischen Problem gleichstellen, auch
sei die Grenze von 1814 nicht mit den wirtschaftlichen
Verhältnissen des Saargebietes vereinbar. Jedenfalls
aber sei eine Abtretung des Gebietes ohne sofortige
Volksabstimmung unzulässig.
Damit stand Wilsons Standpunkt den Absichten der
Franzosen unvereinbar gegenüber. Eine tiefe Kluft lag
offen zu Tage, die unüberbrückbar erschien. Da griff
Clemenceau in die Diskussion ein — mit weit¬
schweifigem Pathos und dreister Verlogenheit. Er ap¬
pellierte an das Gefühl und die Erinnerung. Die Welf
werde nicht von bloßen Prinzipien und auch nicht nur
von wirtschaftlichen Notwendigkeiten geleitet. Mit ma¬
teriellen Entschädigungen allein sei dem französischen
Volk nicht gedient, es empfinde auch ein tiefes Bedürf¬
nis nach moralischer Sühne. Auch die jugendlichen
Franzosen La Fayette und Rochambeau, die den Ame¬
rikanern in den Freiheitskämpfen zu Hilfe geeilt seien,
hätten nicht aus kalten Vernunftsgründen gehandelt,
sondern aus einem tiefen Gefühl inniger Verbundenheit
beider Nationen. Wenn Wilson seinen Worten kein
Gehör schenke, so werde er eine Gelegenheit ver¬
säumen, „ein Glied mehr in die Kette gegenseitiger
Zuneigung hinzuzufügen, die Frankreich und Amerika
vereint.“ Und dann verstieg er sich zu der berüchtigten
„Saarlüge“: „Es gibt dort wenigstens 150 000 Men¬
schen, die Franzosen sind.7) Auch diese Leute, die im
Jahre 1918 Adressen an den Präsidenten Poincare ge¬
richtet haben, haben Anspruch auf Gerechtigkeit. Sie
7) Diese Behauptung ist Lug und Trug. Bei der letzten
Volkszählung vor dem Kriege hatten nur 342 Personen das
Französische als Muttersprache angegeben!