Full text: Die Krise des Idealismus

leihen den Voraussetzungen, Gesetzen, Formen und 
Zielen ihres Handelns die Wesensmerkmale des Idea¬ 
lismus. Doch wie dem auch immer sei: Die aus¬ 
schließliche Förderung des „Sozialismus“, diesen 
jetzt nicht im politischen, sondern höher und allge¬ 
meiner, d. h. im geistesgeschichtlichen Sinne verstan¬ 
den, bedeutet eine unverkennbare und unbestreitbare 
Einseitigkeit. Diese Feststellung erfolgt, wie viel¬ 
leicht nicht besonders hervorgehoben zu werden 
braucht, von der Grundlage des Realismus aus, der 
doch eben das ganze Leben, das subjektive und das 
objektive, in der ganzen Weite und Fülle seiner 
Kräfte, seiner Anlagen, seiner Aufgaben und seiner 
laten unabhängig von Weisungen, die außerhalb der 
Freiheit der Betrachtung liegen, zu erfassen und zu wür¬ 
digen bestrebt ist. Von dem Standpunkt einer solchen 
aufgeschlossenen realistischen Betrachtung aus läßt 
sich dann gegen den Idealismus folgendes einwenden: 
ln ähnlicher Weise, wie der Idealismus eine Über¬ 
schätzung der einen klassischen Formidee auf Kosten 
der Selbständigkeit und Anerkennung aller anderen 
Formgebilde vornimmt, vollzieht er auch eine Über¬ 
wertung des „Allgemeinen“ auf Kosten des „Beson¬ 
deren“, des „Singulären“, des „Individuellen“. Er 
will und kennt nur die Herrschaft des Einen Ewigen 
Geistes in seiner ewigen und heiligen Allgemeinheit. 
Diesem Geiste habe sich auch unser Innenleben zu 
beugen. Er errichtet kraft seiner unerschütterlichen 
Eigenmächtigkeit ein System, eine Dogmatik, ein Sche¬ 
ma allgemeiner Erlebnisforraen und seelischer Ver- 
haltnngsweisen. Eine individualisierende Abweichung 
H A. Liebert. Die Kri.se d. Idealismus. 
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