Full text: Die Krise des Idealismus

nehmlich auf die im Grunde doch immer gleiche und 
gleich farblose formale Einheit gerichtet halte, statt 
munter in die ergiebige Weite und Vielheit der Ge¬ 
gebenheiten, in den konkreten Reichtum des Seins 
einzudringen? Die ganze Einstellung und Forschungs¬ 
richtung des üblichen Idealismus, d. h. dieses Hin¬ 
drängen zu einer systematischen Einheit, sei verkehrt 
und nicht im Interesse der Bereicherung unserer Er¬ 
kenntnis. Eine Bereicherung ergebe sich nur dann, 
wenn, um hier ein Wort Kants anzufiihren, die For¬ 
schung nicht den Weg nach oben, d. h. zur Auffindung 
der vorausgesetzten Grundeinheit, sondern den Weg 
nach unten, nämlich zur W^elt der realen und konkre¬ 
ten Erscheinungen und zu dem fruchtbaren Feld der 
Erfahrung einschlage. 
Das andere Mal reiße der Idealismus die Ein¬ 
heit der Erscheinungswelt aber auch wieder aus¬ 
einander. So trenne er die phänomenale und in der 
Erfahrung und als Erfahrung gegebene Erscheinungs¬ 
wirklichkeit von der metaphysischen Welt des wahr¬ 
haft Seienden. Er spalte die Realität willkürlich und 
im Widerspruch zu dem, was wir in der unvoreinge¬ 
nommenen Anschauung wirklich vorfinden, in einen 
,.sensibelen“ und in einen „intelligibelen“ Teil. Diese 
Trennung mache auch nicht Halt vor dem Menschen. 
Statt ihn als eine psychophysische Einheit aufzufas¬ 
sen und seine körperliche Seite und Tätigkeit unter 
ständiger Rücksicht auf seine seelisch-geistige zu be¬ 
trachten, werde er so angesehen, als bestehe er aus 
zwei einander vollkommen verschiedenen Teilen. Und 
die Folge daraus? Schließlich fehle jede Möglichkeit, 
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