Full text: Die Krise des Idealismus

gen bezogen und beschränkt ist. Sein Phänomenalis¬ 
mus sei gebrochen und verkürzt, er sei nur ein relati¬ 
vistischer Phänomenalismus. 
Beinahe noch gewichtiger aber ist ein anderer Vor¬ 
wurf. Nach der idealistischen Theorie bedinge die 
unvermeidliche und sehr intensive Beteiligung der 
Erkenntnisforraen an dem Prozeß der Erkenntnis 
ihre intellektualistische und rationalistische Beein¬ 
flussung dieses Prozesses. Mithin gelangten auch in 
dieser Hinsicht die Erscheinungen nicht rein, nicht 
unverfälscht zur Erkenntnis. Die Gewalt der Er¬ 
kenntnisforraen biege den sinnlichen Stoff der Erfah¬ 
rung um, sie biege ihn zurecht zugunsten und im 
Sinne einer logischen Einheit, einer formalen Einheit¬ 
lichkeit, einer von der Erkenntnis angestrebten und 
geforderten, ja geradezu als Bedingung für die Er¬ 
kenntnis aufgestellten Systematik. 
Dieser Auffassung und Entscheidung gegenüber 
vertritt die Phänomenologie und Ontologie den ge¬ 
rade entgegengesetzten Standpunkt. Sie will die Er¬ 
scheinungen selber in ihrer reinen Gegebenheit zum 
Sprechen bringen; sie will sie nicht dem vergewalti¬ 
genden Druck pressender Erkenntnisformen unter¬ 
werfen. Die Erscheinungen — denken wir z. B. ein¬ 
mal an die des menschlichen Innenlebens — sollen 
selber Vorbehalts- und vorurteilslos nach ihrem We¬ 
sen befragt werden. Und bei dieser Aushorchungs- 
methode, die natürlich eine nicht kleine Übung ver¬ 
langt, die den Willen und die Gabe zu ruhiger, erst 
allmählich erwerbbarer Hingabe an die Gegebenheiten 
voraussetzt, werden dann die Erscheinungen von sich 
62
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.