oben Grundzüge der philosophischen Denkhaitung.
nämlich ihre Kraft zur Kritik, ihre Stimmung der
Freiheit, ihr Heroismus und nicht zuletzt jene Ei¬
gentümlichkeit, die darin besteht, der Anwalt des
Gewissens der Menschheit zu sein und sein zu sol¬
len, sie sind es, die nicht bloß die Philosophie in
den Zustand der Krise führen, sondern die Krisen kom¬
men auch der Entwicklung der allgemeinen Kultur
entscheidend zugute. Die Krisen spenden die Samen,
die auch das geschichtliche Leben vor der Vertrock¬
nung schützen; sie verhelfen mit dazu, der allgemei¬
nen geistigen Entwicklung eine Erneuerung oder zum
mindesten einen Umschwung durch die wohltätige
Erweckung des Gewissens zu schaffen und ihr auf diese
Weise ihre lebendige Bedeutung und ihren geschicht¬
lichen Charakter zu sichern. Wo anders als in der
Philosophie kann der Geist sittlicher Kritik und ver¬
antwortungsvoller Freiheit seine Stätte haben? Und
wo er herrscht und zum Ausdruck gelangt, da ist ech¬
tes philosophisches Denken am Werke. Und was
würde aus der allgemeinen geistig-geschichtlich¬
menschlichen Kultur ohne diesen philosophischen
Geist der Freiheit und Kritik? Wo er unterdrückt
wurde, d.h. wo die Philosophie nicht ihrem eigenen
Logos und Ethos folgen durfte, trat eine Verkümme¬
rung der Kultur ein. Da jedoch der Mensch und die
Philosophie die Kraft des Logos und des Ethos auf
die Dauer nicht verleugnen und nicht preisgeben kön¬
nen, ohne sich selber zu verleugnen und preiszugeben,
so wird auf Grund dieser ewigen Mächte die Stockung
überwunden durch den Eintritt einer Krise und durch
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