der zum Schaden noch zum Vorwurf. Es kann kein
größeres Mißverständnis für das Wesen der Philoso¬
phie geben als ihre Ablehnung oder Geringschätzung
auf Grund jener dauernd kritisch-krisenhaften Lage.
Sehen wir einmal von allen inhaltlichen Fragen ab,
mit denen die Philosophie sich beschäftigt, und er¬
wägen wir nur die geistige Haltung und Form des
Philosophierens rein in ihrer grundsätzlichen Bedeu¬
tung und Eigenart.1) Welchen Sinn hat nun diese
Haltung? Und welche Rolle spielt sie innerhalb der
menschlich-geschichtlichen Kultur und für diese Kul¬
tur? Wo die Philosophie sich gemeldet hat, und
wann immer große Philosophen aufgetreten sind, nie¬
mals ist das ausschließlich in der neutralen Form und
Gestalt reiner Erkenntnis geschehen. Niemals haben
sie das Sein als solches einfach hingenommen. Oder
vielmehr: Wo diese reine Erkenntnis angestrebt und
in welchen Formen auch immer sie verwirklicht
wurde, stets war sie gerade als „reine“ Erkenntnis zu¬
gleich eine „kritische“ Erkenntnis, die das Sein ge¬
wogen, beurteilt, unter den kritischen Gesichtspunkt
des Wertes und unter den Wertgesichtspunkt der Kri¬
tik gerückt hat. Selbst Hegels Philosophie ist nicht
einfach eine Bejahung, nicht einfach eine Verteidi¬
gung und Verherrlichung des Seins, wie so oft ge-
*) Von dem Wesen der philosophischen Haltung gibt ein
scharf profiliertes Bild Paul Haeberlin in seinem schon ge¬
nannten Buche „Das Wesen der Philosophie“ (vgl. oben S. 34)
H. bestimmt das Wesen der Philosophie überhaupt als die Ein¬
nahme einer besonderen Haltung fz. B. S. 110, 134, 152 u. ü.).
die er genauer kennzeichnet.
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