mehr zu dem Standpunkt der Autonomie, der selbet-
verantwortlichen Freiheit neigende Haltung und Be-
wußtseinsrichtung wird eine andere Art und Form
des Philosophierens fordern und sich mit einer an¬
deren Art und Form der Philosophie verbinden als
eine Geistesgestalt, die in dem Grundgefühl der Ach¬
tung vor der Autorität verwurzelt ist, und die sich in
dem Gehorsam gegenüber einer durch Tradition und
Pietät festgelegten Dogmatik ausdrückt. Die Lehre
und die Behauptung von der Existenz einer „ewigen
Philosophie“ (philosophia aeterna), wie sie von der
katholischen Kirche vertreten werden, stellen eine
anziehende Ideologie und eine in gewissem Umfange
begreifliche Forderung dar. Sie entsprechen in be¬
achtenswerter Weise der Selbstbeurteilung der Kirche
als einer auch „ewigen“ Schöpfung und Einrichtung.
Aber diese großartige Ideologie und diese geschicht¬
lich überaus einflußreiche Forderung haben die Ent¬
stehung einer „anderen“ Philosophie und einer „an¬
deren“ Kirche nicht zu hindern vermocht. Jene be¬
ginnt mit der Zeit der Renaissance und findet ihre
ersten klassischen Vertreter in Galilei, Descartes u. a.
Die Begründung der neuen, der „anderen“ Kirche ist
bekanntlich an die Reformation Luthers geknüpft.
Mit der unvermeidlich gewordenen Entstehung des
reformatorischen Geistes, der sich bereits ziemlich
lange vor der Wirksamkeit Luthers ankündigt und
auch praktisch-konkret bekundet, mußte aber eine
Krise über das „katholische“ Denken hereinbrechen.
Ebenso war mit jenem neuen Geiste als dem Trä¬
ger und dem Ausdruck einer geschichtlichen Macht
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