Wahrheit erfolgenden Kampfrufes die Krise über die
betreffende Religion bezw. über eine ihrer Entwicke-
lungsabschnitle herein. Sie verfallen dem Gericht,
weil sie nicht oder nicht mehr als „wirkliche“ und
„wahre“ Zeugnisse des religiösen Geistes und nicht
mehr als „wirkliche“ und als „wahre“ Offenbarun¬
gen Gottes empfunden und beurteilt werden.
Nur von einem sinnwidrig verengten Standpunkt
aus, d. h. künstlich und gewaltsam läßt sich die Beein¬
flussung der Philosophie durch religiöse Fragestel¬
lungen und Forderungen bestreiten oder ablehnen.
Die Probleme der Realität und der Wahrheit können
ihre Beziehung zu dem Mutterschoße der Religion
nicht verleugnen. Darum verstößt die Unterbindung
des Verhältnisses von Philosophie und Religion ge¬
gen die Natur der Sache. Dieses Verhältnis bekundet
seine natürliche Kraft auch in allen wirklich großen
und fruchtbaren Systemen der Philosophie. Ihr Stu¬
dium ist für die Erreichung einer aufgeschlossenen,
der Sache entsprechenden Einsicht in das, was Philo¬
sophie ist und bedeutet, unerläßlich 1).
Ist dem aber so, stellt ihr Verhältnis zur Religion
keinen zufälligen und keinen nebensächlichen Faktor
für die Grundlegung und für den Aufbau, aber auch
für das Ansehen und für die subjektive und objektive
Geltung der Philosophie dar, dann wird ein Wandel
in der religiösen Haltung und in der Tiefe des reli¬
giösen Bewußtseins zu jeder Zeit von Einfluß auf
die Philosophie sein. Eine in religiöser Beziehung
1) So auch Emil Utitz a. a. 0. S. 142, 149.
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