dem auch sittlich notwendige Tat. Und in der Durch¬
führung dieser Tat erblickt der Mensch nichts mehr
und nichts weniger als die Wiedergewinnung der
Wirklichkeit und der Wahrheit seines Lebens.
Diese Wahrheit und Wirklichkeit erscheint ihm
bei einem einfach und ohne Ansatz zur Kritik hinge¬
nommenen und anerkannten geschichtlichen Ablauf
verkümmert oder geradezu zur Lüge umgebogen und
entartet zu werden. Nicht aus politischen, nicht aus
wirtschaftlichen, sondern aus sittlichen und aus reli¬
giösen Gründen lehnt sich der Mensch gegen die Zu¬
mutung auf, alles was ihm die Geschichte darreicht
und aufzwingt, ohne weiteres zu bejahen, es sich in
der überlieferten Form anzueignen und in dem über¬
lieferten Gehalt weiterzuleiten und seinen Nachfol¬
gern zu vererben. Gewiß: Der Mensch ist ein Rebell.
Aber er ist es nicht aus Laune und Willkür, nicht aus
Leichtfertigkeit oder aus einer billigen Freude am
Neuen. Wo derartige Motive am Werbe sind, kommt
es nur zu oberflächlichen und bald vergessenen und
verschwundenen Beanstandungen der Geschichte, nicht
zu wirklichen Erneuerungen der Kultur. Die wesent¬
lichen Umgestaltungen brechen hervor aus den schöp¬
ferischen Wurzeln unserer ganzen Existenz. Sie sind
der Niederschlag und das Ergebnis einer höchsten
moralischen und religiösen Forderung. In ihr drücken
sich das Verlangen und der Ruf aus, das Leben wie¬
der das Vertrauen zu sich selbst finden, das Dasein
den Weg zu seinen eigenen Kräften, zu seinem „We¬
sen“ nehmen zu lassen. Der Mensch will wieder seiner
eigenen Realität und Wahrheit und dieser Realität in
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