eben Betrachtung in einer notwendigen Wechselbezie¬
hung; sie ergänzen einander. Zweitens bleiben auch
die Wirtschaftsverhältnisse als der angebliche Unter¬
bau des geistigen Lebens nicht ohne enge Beziehungen
zu diesem geistigen Leben, ja, sie sind im Grunde
nichts anderes als eine Sondergestalt und als eine spe¬
zielle Funktion dieses Lebens. Die idealistische Ge¬
schichtsschreibung jedenfalls ist auf die Aufdeckung
der sich in der Geschichte tatsächlich offenbarenden
geistigen Wirkungszusammenhänge und auf die Er¬
kenntnis ihrer „geistigen“ Grundlagen in dem Vor-
stellungs-, Willens- und Gefühlsleben der \Ienschen
gerichtet.
Der Idealismus als Philosophie hingegen betrach¬
tet die geschichtliche Wirklichkeit von dem Stand¬
punkt einer unerschütterlichen Forderung aus. Er
fragt die Geschichte, oh sie den Geboten der ihr ge¬
stellten sittlichen, künstlerischen, religiösen usw. Auf¬
gaben gerecht geworden ist. Er verharrt nicht in der
Haltung der Reflexion und der Beschreibung. Er ist
vielmehr die unaufhörliche Kritik an der
Geschichte. Von diesem normativen Standpunkt
aus konnte und mußte Friedrich Schiller die an¬
spruchsvolle Entscheidung aussprechen: Die Weltge¬
schichte ist das Weltgericht. So wird die geschichtli¬
che Entwicklung nicht als ein gegen die Momente des
Guten und Wahren bzw. Schlechten und Falschen
gleichgültiger Prozeß aufgefaßt, sondern als ein dem
menschlichen Leben und dessen sittlichen Kämpfen
verwandter Verlauf. Gewiß wird damit eine unge¬
heure Anthropomorphisierung des allgemeinen Ge¬
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