Wieviele Momente unserer Gebundenheit an die
naturhafte oder an die geschichtliche Wirklichkeit
sind durch die Wissenschaften auf gedeckt worden.
Seit dem Beginn der Neuzeit wetteifern die Wissen¬
schaften in der Übermittlung solcher Erkenntnisse.
Da waren es einmal die Verhältnisse der Bodenbe¬
schaffenheit, die Küstenbildung, die Möglichkeit un¬
gehinderter Zugänge zum Meer, da waren es Klima
und Luft, Blut und Rasse, da waren es die wirt¬
schaftlichen Lagen, die Produktions- und Konsum¬
tionsverhältnisse, die Bindung des Menschen an die
Maschine, da waren es seine Zugehörigkeit zu
einer bestimmten Nation, zu einem bestimmten
Volk, zu einer bestimmten Zeit und in ihr wie¬
der zu einer bestimmten geistigen oder politi¬
schen oder wirtschaftlichen Strömung, da waren
es nicht zuletzt ganz elementare physiologische Ab-
sfammungsbedingungen im Sinne der biologischen
Entwicklungslehre, die die Abhängigkeit des Menschen
von naturhaften oder geschichtlichen Gegebenheiten
dartun sollten. Gewichtige Richtungen auch in der
Philosophie machten weniger das Problem der Frei¬
heit als die Widerlegung des Freiheitsglaubens und
des Freiheitsbewußtseins und die Gewißheit der
menschlichen Unfreiheit zum Gegenstand und zum
Ziel ihrer Untersuchungen. Ihnen gesellten sich reli¬
giöse und theologische Auffassungen hinzu, um, wie
die überaus einflußreiche Bewegung des Calvinismus
zeigt, uns immer mehr unserer Unfreiheit zu ver¬
sichern. Eine letzte, aber schwache Rettung schien
der Freiheitsidee dadurch zu winken, daß man in ihr
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