zur sittlichen Freiheit, die sich nicht niederzwingen
laßt, die ihren Ruhm nicht im Erfolg, sondern in ihrer
freudigen Unerschütterlicbkcit, also in sich selbst, in
ihrer Autonomie erblickt und findet.
Mit diesen Andeutungen haben wir ein Hauptka¬
pitel der Ethik des Idealismus umschrieben.
3) Diese Vernunflfunktion des Wahren und des
Guten, ein ideenmäßiger Vorgang im reinsten Sinne,
offenbart seine schöpferische Kraft nun drittens in der
ästhetischen Tat der Geslaltgebung. Wir pflegen
diese Tat als die Schöpfung der künstlerischen Form
zu bezeichnen. Sie tritt nicht erst zu der Arbeit der
Wahrheit und des Guten als ein nachgeborenes Kind
hinzu, sondern sie ist in jener Arbeit unmittelbar
wirksam. Alles Lebendige und Wirksame bedarf die¬
ser gestaltenden Form, und es ist eines der tiefsten
und reizvollsten Geheimnisse des Lebens, daß es seine
Urkraft an die Heiligkeit der Form angleichen muß,
will es zeigen und beweisen, was es vermag, ja, was es
bedeutet. Um seiner Wahrheit, um seiner Wirklich¬
keit, um seines moralischen Wertes willen bedarf es
der künstlerischen Form, sucht es nach ihr. Und ein
Hauptteil der großen Kämpfe in der Geschichte des
Geistes hat seinen Inhalt und seinen Gehalt in dieser
dialektischen Wechselbeziehung von Leben und Form,
in dem unaufhörlichen Spiel zwischen ihnen. Jeder
dieser beiden Faktoren ist ebenso sehr auf die Auf¬
rechterhaltung seiner Eigenart, auf die Wahrung seines
Wesens als zugleich auf seinen Anschluß an seinen
Gegner und auf einen Vertrag mit ihm bedacht. Die¬
ses Verhältnis ist in seiner Polarität für jeden der
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