Full text: Die Krise des Idealismus

die der klassischen Philosophie eigentümliche Ten¬ 
denz zur Zusammenfassung und Vereinheitlichung 
hingewiesen worden* Im ablehnenden und tadelnden 
Sinne durch die wiederholten Einwände, jede Syste¬ 
matik beruhe auf bestimmten, aus einer geistigen Ein¬ 
seitigkeit und aus vorgefaßten Annahmen hervorge¬ 
gangenen Voraussetzungen. Besonders Nietzsche hat 
den Weg der Systematik darum bemängelt, weil er 
angeblich in „Vorurteilen“ verwurzelt sei und die Tat¬ 
sachen nicht ungehindert sprechen, sie nicht zu freier 
Entfaltung und zu ihrem Rechte kommen ließe. So 
wirke jedes philosophische System und jede systema¬ 
tische Philosophie wie ein Prokrustesbett. Es zu zer¬ 
stören bzw. sich seiner überhaupt erst gar nicht zu be¬ 
dienen, sei die Aufgabe und Pflicht jedes gesunden 
Realismus, der auf die Natur der Erscheinungen ge¬ 
bührend Rücksicht nehme. 
Im Gegensatz zu dieser Stellungnahme sehen wir 
eine möglichst strenge Vereinheitlichung der erarbei¬ 
teten Wissensmassen geradezu als eine selbstverständ¬ 
liche Notwendigkeit und als eine unaufhebbare Be¬ 
dingung jedes Philosophierens an. Zugunsten des 
Rechtes der Systematik sprechen bereits die großen 
philosophischen Systeme. Jeder Klassiker hat zu ei¬ 
nem System hingestrebt und ein System in einer mehr 
oder minder durchgeführten Gestalt geschaffen. Und 
wenn ein Plato und ein Aristoteles, ein Thomas von 
Aquino, ein Duns Scotus, ein Descartes, ein Spinoza, 
ein Leibniz, ein Kant, ein Fichte, ein Schelling, ein 
Hegel, ein Schopenhauer uswr. jenem Streben ent¬ 
sprochen haben, so muß ihm doch ein einleuchtender 
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