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Das Problem der Kunst.
7.
Unendlichkeit des Geistes.
Nur dem, der sich auf diesen Standpunkt erhebt, kann es ge¬
lingen, dem Geist den Begriff der Freiheit, die ihm notwendig ist,
zu verleihen. Denn Freiheit ist Unendlichkeit. Und vergeblich ist
jede Mühe, die kleinste Dosis dieses göttlichen Privilegs des
Schöpfers einem Geist zuerteilen zu wollen, der durch das Mit-
Dasein anderer Wirklichkeiten begrenzt ist, seien es gegenständ¬
liche oder auch geistige Wirklichkeiten. Die endliche Leibnizsche
Monade ist endlich, weil sie mit den anderen endlichen Monaden
in einer Beziehung steht, die nicht auf sie, sondern auf die un¬
endliche Monade gerichtet ist. Wenn deren Dasein uns die Voraus¬
setzung für das Nebeneinanderbestehen der vielen Monaden gibt,
so macht dieses es uns doch unmöglich, die Freiheit jeder einzelnen
Monade recht zu verstehen, die von der prästabilierten Harmonie
eingeschlossen und daher bedingt ist.
Wahr ist, daß jeder Schritt des Lebenden — und daher des
Denkenden — ein Stoßen auf Grenzen ist, die der Unendlichkeit
des Geistes widersprechen und den Stolz des Menschen brechen, der
für sich in Anspruch nimmt, frei und als Herr seiner selbst auf¬
zutreten. Aber wahr ist auch, daß das ganze Leben seine Bedeutung
in der dauernden Bemühung des Menschen gewinnt, die Grenzen
zu überwinden, auf die er stößt, um in der Unendlichkeit seines
Seins seine Freiheit zu verwirklichen.
Man kann daher sagen, daß diese außerordentliche Kraft, die
uns im Leben leitet, und in deren Umsetzung unser Leben besteht,
zwar begrenzt ist; aber im Unterschied zu allen begrenzten Dingen,
die bestimmt sind, es zu sein und zu bleiben, besitzt sie das Bewußt¬
sein ihrer eigenen Grenzen und gibt sich nicht damit zufrieden,
sondern strebt nach ihrer Überwindung. Ein offenkundiges Zeichen,
daß diese Kraft nicht unendlich ist, es aber werden muß, daß sie
nicht unmittelbar unendlich ist, es aber wird. Das ist die Kraft,
die wir Seele nennen, und es ist ihr eigentümlich, nicht schon un¬
mittelbar zu sein (und das überhaupt nie), sondern aus sich zu
entwickeln, was sie zu sein hat; sie ist daher, richtig ausgedrückt,
nicht grenzenlos, aber auch nicht begrenzt; denn ihre Begrenztheit
wird von jener ihrer idealen Negativität bewiesen, kraft deren sie
durch Verneinung und Überwindung beginnt, sich zu verwirklichen.
Sie verwirklicht sich, so kann man sagen, soweit sie Unbegrenztsein
wird, wenn es erlaubt ist, der Deutlichkeit wegen dieses unschöne