Schluß.
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De Sanctissche Ästhetik wieder aufnehmen und so auf spekulativem
Wege stärken sollte: die vier heiligen Worte, die für einen Augen¬
blick Gefahr liefen, fünf zu werden, als dem System der Philo¬
sophie des Geistes materiell die Historiographie hinzugefügt wurde
(die sich dann als Vertiefung eines Teiles der Logik enthüllte),
und der Verfasser und seine Anhänger erschöpften sich darin, um
diese vier Worte herum zu kämpfen, die aufgerührt wurden, und
deren ganze Bedeutung, die sie enthalten konnte, man auspreßte;
stets wurden sie als die vierfache Enthüllung eines rätselvollen und
unerkennbaren Geistes gepriesen. Aber die Ästhetik ging durch
die Welt und bot sich dem an, der sie allein oder in Begleitung
wollte. Die Philosophie der vier Worte bleibt ein einfacher äußerer
Rahmen, den man annehmen oder auch lassen konnte, und damit
die Sache wissenschaftlich möglich wurde — denn ein fertiges Ding
hat einen Kopf, und seine Philosophie war ihm wie eine Sammlung
von Abhandlungen herangewachsen, die voneinander unabhängig
sind und alle Sondercharakter tragen — setzte sich der Ver¬
fasser in den Kopf zu behaupten, daß es so sei und so sein
müsse. Und als Mann von Geist und Feuer, reich an Erfindungen,
Anekdoten und Witz, leitete er eine unbarmherzige Polemik gegen
die Philosophie ein, die er als theologisierende Philosophie,
als Philosophie der „höchsten Probleme“, als Professorenphilo¬
sophie, mit einem Wort als die alte metaphysische Philosophie
verspottete, für die es an der Zeit sei, durch eine Art von Me¬
thodologie oder Klärung der Begriffe, die man in der Geschichts¬
wissenschaft anwendet, ersetzt zu werden: durch die Philosophie
der vier Worte. Von dieser haben wir in vorstehendem Abriß
wiederholt zu sprechen Gelegenheit gehabt, denn sie schließt in
sich eine Ästhetik ein, die heute für viele die Ästhetik ist. Sie
ist tatsächlich vom Publikum mit Gunst aufgenommen worden:
wegen ihrer Leichtigkeit der Darstellung, der Exaktheit der weni¬
gen elementaren Ideen, für die sie kämpft und wegen der anti¬
philosophischen Polemik, die sie begleitet und die ihr den Weg
für die erschließt, die zwar etwas Philosophie wollen, aber mit
Maßen, wie der weise Agricola, eine leichte, elegante, literarische
Philosophie, die philosophia pigrorum, die sogar die Schärfe, den
Witz und die Anmut der Prosa eines Voltaire haben mag. Sie ist
in alle Sprachen übersetzt und wurde so viel gelesen wie nie
eine andere.
Diese Ästhetik ist nach De Sanctis ein Werk der Dekadenz und
des literarischen Dilettantismus; sie entzieht das Problem der