Full text: Philosophie der Kunst

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Schluß. 
der Ästhetik eine Bedeutung, die alles andere als vernachlässigt 
werden darf. Man kann sagen, daß nunmehr der moderne Ge¬ 
danke ans Tor klopft. Noch aber ist es geschlossen. 
4. 
Von Galileo zu Vico und Baumgarten. 
Damit das Tor sich öffne, muß sich die oben angedeutete 
Revolution vollenden. Es muß im Gedanken die Natur fallen und 
der Geist sich erheben. Aber im Gedanken ist diese Revolution 
nicht möglich, wenn man nicht beobachtet, wie dieser Begriff der 
unmittelbaren, materiellen, brutalen, dem Geist vorangehenden 
Natur entsteht, von dessen Alpdruck sich der Geist befreien will. 
Es ist das berühmte Problem der Wissenschaft oder der Erkenntnis. 
Es beginnt mit Galileo, es wird fortgesetzt durch Baco, durch 
Cartesius, Locke, Hume, Berkeley und Leibniz, um nur die be¬ 
deutendsten Namen zu zitieren. Was man wissen will, ist nicht 
mehr so sehr das, was man von dieser Welt zu denken habe, die in 
unserem Gedanken ist, sondern wie man das wissen kann, wovon 
man mit Recht behaupten darf, daß man es weiß. 
Es handelt sich nicht mehr um die Wahrheit, sondern um die 
Gewißheit. Galileo ruft die „verständige Erfahrung“ auf der Grund¬ 
lage der Mathematik an, durch die der Intellekt das Wirken der 
Natur streng begrifflich bestimmen kann, und Baco zertrümmert 
die deduktive Wissenschaft a priori, die auf Ideen aufbaut, um 
zur Forderung einer instauratio magna ab imis fundamentis zu 
kommen: er baut auf der sinnlichen Wahrnehmung, auf dem un¬ 
mittelbar Gegebenen auf, das der Geist immer in sich findet, wenn 
er sich mit der Natur in Verbindung setzt. Cartesius aber läßt uns 
(nicht ohne durch Campanella beeinflußt zu sein) beobachten, daß 
es — außer dieser sinnlichen Wahrnehmung, die den Geist aus sich 
heraustreten läßt und ihm eine Wirklichkeit vorzustellen scheint, 
von der er trotz des Zeugnisses der Sinne keine Sicherheit emp¬ 
fängt — eine Art von Sinn gibt (von Gedanken, sagt Cartesius, aber 
er gebraucht diesen Ausdruck in seiner breitesten Bedeutung, als 
sagte er „Bewußtsein“), der eine Wirklichkeit nicht außer sich, wohl 
aber in sich hat (cogito ergo sum) : einen Sinn, der die Wirklichkeit, 
deren Sinn er ist, schafft. Prinzip jeder Gewißheit, unerschütter¬ 
liche Grundlage, auf der man mit Sicherheit das Wissen errichten 
kann. Aber Cartesius besiegt den Dualismus nicht: er läßt zwei
	        
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