Schluß.
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deren Tendenz zu offenbaren. Zuerst führt der Humanismus
zu jener Revolution des Intellekts, der den schärfsten Unter¬
schied des modernen Zeitalters von antiken bilden wird. Die
Wirklichkeit, die das Herz des Menschen anzuziehen und sein
höchstes Interesse zu erwecken beginnt, ist nicht die, die er in
der Welt findet, sondern die, die er in ihr verwirklicht. Man be¬
ginnt im Menschen eine Macht wahrzunehmen, die fähig ist, der
Natur die Stirne zu bieten und sie zu meistern; schon behauptet
man — wenn man es auch noch nicht beweisen kann — seine
Autonomie und schöpferische Kraft. Man sieht, wie es der mensch¬
lichen Stärke und Energie gelingen kann, Sieger über den Zufall
und alle die Ereignisse zu bleiben, die nicht von ihm abhängen
und daher seine Natur sind. Besonders deutlich und gleichsam
strahlend zeigt sich diese Kraft in Kunst und Literatur; hier be¬
trachtet der Mensch liebend eine innere Welt, in die er sich als ab¬
soluter Schiedsrichter einschließen kann. Daher ist die Leidenschaft
für die Kunst die Wirkung dieser unmittelbaren Auffassung unserer
Natur, die am besten die Würde und Macht des Menschen beweist.
Und die ganze Menschenwelt färbt sich mit diesem ästhe¬
tischen Subjektivismus.
Dann sind bei Bruno und Campanella der Antiaristotelismus und
die akademiefeindliche Handlung nicht Laune oder persönliche
Stimmung: sie stehen mit ihrer philosophischen Haltung in Über¬
einstimmung, die alt scheint aber originell ist. Die Natur dieser
Philosophen hat nichts mit der der antiken „Physiologen“ zu tun,
so viel sie selbst als auch andere zwischen ihrer Lehre und der der
Vorsokratiker Vergleiche ziehen, die gegenüber den Einwänden
von Aristoteles verteidigt und aus Reaktion weit mehr als der schon
zu viel gelobte Stagirit erhoben werden. Sie ist nicht mehr Vor¬
gängerin des Geistes: sie ist die unendliche Natur, die ihren Mittel¬
punkt überall hat und ihre Peripherie nirgendwo, so wie von
ihr in den hermetischen Schriften gesprochen wird; sie ist das
Unendliche, das All im All, Identität des Höchsten und des
Kleinsten, des Makrokosmos und des Mikrokosmos. Und ver¬
dichtet sich daher und schlägt in der gleichen menschlichen Seele;
aus ihrer Tiefe verbreitet sich diese zu universellem Sinn. Daher
ist das Genie des Dichters heroische Leidenschaft, und der Sinn
des Menschen ist sensus rerum, Anfang aller Wahrheit und aller
inneren Gewißheit. Die Natur ist daher alles, und die Regeln sind
eine Kleinlichkeitskrämerei des Verstandes, der der Wirklichkeit
fremd ist. Deshalb hat die Antiaristotelische Polemik auch in
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