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Die Attribute der Kunst.
Das besagt, daß der Künstler wie der Mensch, der denkt und
handelt, seine Pflichten hat: diese seine Pflichten verbinden ihn
nicht derWelt gegenüber, wohl aber seiner Welt, der Welt der Kunst.
Ihr dankt er sein ganzes Ich, in das er seine ganze Seele versenkt;
er denkt nichts anderes, als was er in sich findet; sich selbst, der
eigenen Eingebung getreu, mit der Offenheit, die Ehrlichkeit und
guter Glaube ist: denken, was man sagt, fühlen, was man denkt:
in dem eigenen Gedanken, der zum eigenen Wort wird, nicht mehr
und nicht weniger als das eigene Gefühl versenken. Die falsche
Kunst ist ästhetisch falsch, weil sie moralisch falsch ist.
9.
Die Kunst als Erziehung des Menschen¬
geschlechts.
Auf Grund dieses immanenten ethischen Charakters ist die
Kunst immer die große Erzieherin des Menschengeschlechts ge¬
wesen, war die verderbliche Kunst immer falsche Kunst. Falsch,
weil einseitig und unvollkommen, während die Kunst immer geistige
Totalität ist. Das Häßliche kann nur der Ausdruck von Gefühlen
sein, in denen der Mensch sich nicht gänzlich gesammelt hat: mit
andern Worten von oberflächlichen, nicht tief empfundenen Ge¬
fühlen. Denn das Fehlen des Ernstes (jenes Ernstes, deren die
Kunst wie die Moral bedarf), der Leichtsinn, die frivole Gesinnung,
aus der das Launenhafte, das Spöttische, das Gekünstelte, das
Aufgeblasene, das Erotische usw. entstehen, ist ein Mangel an
Gefühl. Wenn das Gefühl da ist, ist es ganz da, allgemein, un¬
endlich wie die Seele, deren Wesen es ist. Diese Universalität und
Unendlichkeit des Gefühls ist die Menschlichkeit der echten
Kunst, die, mag sie auch das tiefste Geheimnis irgendeines
Menschen ausdrücken, in der Tiefe der Seele aller Menschen jen¬
seits jeder Grenze von Zeit und Raum verwurzelt ist. So ver¬
brüdert sie die Herzen und macht aus allen eine einzige Seele, die
in ihrer Unendlichkeit das Bedürfnis empfindet, jeglichen Gegen¬
satz und Unterschied zu besiegen und sich in einen einzigen Ge¬
danken, das heißt in einer Welt zusammenzuschließen, in der jeder
geistige Akt universelle Form hat und daher nicht der Akt eines
Geistes, sondern der Akt des Geistes ist.
So kommt es, daß sich im Innern des Kunstwerkes, wo der
Ruf der menschlichen Seele am höchsten ertönt, Verfasser und