Full text: Philosophie der Kunst

248 
Die Attribute der Kunst. 
Das besagt, daß der Künstler wie der Mensch, der denkt und 
handelt, seine Pflichten hat: diese seine Pflichten verbinden ihn 
nicht derWelt gegenüber, wohl aber seiner Welt, der Welt der Kunst. 
Ihr dankt er sein ganzes Ich, in das er seine ganze Seele versenkt; 
er denkt nichts anderes, als was er in sich findet; sich selbst, der 
eigenen Eingebung getreu, mit der Offenheit, die Ehrlichkeit und 
guter Glaube ist: denken, was man sagt, fühlen, was man denkt: 
in dem eigenen Gedanken, der zum eigenen Wort wird, nicht mehr 
und nicht weniger als das eigene Gefühl versenken. Die falsche 
Kunst ist ästhetisch falsch, weil sie moralisch falsch ist. 
9. 
Die Kunst als Erziehung des Menschen¬ 
geschlechts. 
Auf Grund dieses immanenten ethischen Charakters ist die 
Kunst immer die große Erzieherin des Menschengeschlechts ge¬ 
wesen, war die verderbliche Kunst immer falsche Kunst. Falsch, 
weil einseitig und unvollkommen, während die Kunst immer geistige 
Totalität ist. Das Häßliche kann nur der Ausdruck von Gefühlen 
sein, in denen der Mensch sich nicht gänzlich gesammelt hat: mit 
andern Worten von oberflächlichen, nicht tief empfundenen Ge¬ 
fühlen. Denn das Fehlen des Ernstes (jenes Ernstes, deren die 
Kunst wie die Moral bedarf), der Leichtsinn, die frivole Gesinnung, 
aus der das Launenhafte, das Spöttische, das Gekünstelte, das 
Aufgeblasene, das Erotische usw. entstehen, ist ein Mangel an 
Gefühl. Wenn das Gefühl da ist, ist es ganz da, allgemein, un¬ 
endlich wie die Seele, deren Wesen es ist. Diese Universalität und 
Unendlichkeit des Gefühls ist die Menschlichkeit der echten 
Kunst, die, mag sie auch das tiefste Geheimnis irgendeines 
Menschen ausdrücken, in der Tiefe der Seele aller Menschen jen¬ 
seits jeder Grenze von Zeit und Raum verwurzelt ist. So ver¬ 
brüdert sie die Herzen und macht aus allen eine einzige Seele, die 
in ihrer Unendlichkeit das Bedürfnis empfindet, jeglichen Gegen¬ 
satz und Unterschied zu besiegen und sich in einen einzigen Ge¬ 
danken, das heißt in einer Welt zusammenzuschließen, in der jeder 
geistige Akt universelle Form hat und daher nicht der Akt eines 
Geistes, sondern der Akt des Geistes ist. 
So kommt es, daß sich im Innern des Kunstwerkes, wo der 
Ruf der menschlichen Seele am höchsten ertönt, Verfasser und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.