Full text: Philosophie der Kunst

Kunst und Moral. 
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Licht erleuchtete Welt sein, die aus dem eingebenden und schöpfe¬ 
rischen Gefühl entspringt. Die Dantesche Welt vom moralischen 
Ernst, von heldischer Religiosität tief erfüllt, findet sich nicht in 
der Welt des Boccaccio. Im Innern des Dichters ist der Mensch. 
8. 
Die Sittlichkeit der Kunst. 
Doch damit nicht genug. Denn die Kunst besteht in der Über¬ 
windung des Inhalts, das heißt in dem Gefühl, in dem alles, was 
Gegenstand der Kunst ist, aufgesogen und aufgehoben wird; die 
Kunst als solche ist reines Gefühl, und von ihr kann man gewiß 
nicht die Moralität fordern, die zum Bereich der Philosophie ge¬ 
hört. Es fehlt die konkrete Synthese, in der der Mensch universell 
und daher moralisch handelt. Wenn wir so sagten, im Dichter sei 
der Mensch, so muß man hinzufügen und spezifizieren: ein Mensch, 
der träumt, oder ein Mensch, der sich ganz in sich gesammelt und 
vom Objekt losgerissen hat, d. h. von dem Objekt, das das ganze 
Objekt ist: das Objekt als System des Gedankens in seiner Totalität. 
Sein Objekt ist mehr seines als Objekt. Es hat für ihn Wert, soweit 
es ganz eines mit ihm ist, nicht soweit es Objekt ist, und durch das, 
was es als solches in sich ist. Trotzdem hat er auch sein bestimmtes 
Objekt und in ihm spiegelt er sich, stellt er sich dar und findet 
seinen Ausdruck. Ausdruck, der Gedanke ist. Er setzt daher die 
Synthese voraus, die Synthese der Philosophie, in der die mora¬ 
lische Handlung liegt, doch eine ganz auf das Subjekt gerichtete 
Synthese. In solchem Maße ist die Synthese da, daß der Dichter 
im Feuer seiner Begeisterung nicht die Möglichkeit einer Welt 
zuläßt, die sich von der unterscheidet, die seinen Geist erleuchtet 
und in sein Herz eindringt; er kennt kein anderes geistiges Leben, 
das größeren Wert als das seine hätte. Seine Welt ist die Welt. 
Das Objekt, das sich ganz im Feuer seiner Subjektivität verzehrt, 
ist das Objekt. 
Damit er das sagen kann, muß, was vom philosophischen 
Gesichtspunkte Dichtung ist, vom dichterischen Gesichtspunkte 
Philosophie sein: Gedanke in der ganzen Fülle seiner Synthese, 
in der man die Wahrheit erkennt, soweit man seine Pflicht er¬ 
füllt. Vom Gesichtspunkt der Kunst ist die Kunst in ihrer Auto¬ 
nomie als Geist, der, soweit er Kunst ist, der ganze Geist ist, Philo¬ 
sophie und damit Moral.
	        
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