Full text: Philosophie der Kunst

Liebe und Sprache. 
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artige Körpergestalten und Züge an. Der Fülle der Gedanken ent¬ 
spricht die gleiche Fülle der Gefühle. Jedes ist unendlich, un¬ 
vergleichbar mit jedem anderen; denn in jedem ist das ganze 
Subjekt als einzig und daher unendlich enthalten. Jedes ist eine 
Welt: das Gefühl und der Gedanke, den es beseelt, und der 
mit ihm zusammen ein Individuum ausmacht. Ein Individuum im 
eigentlichen Wortsinne, nicht also ein Attribut oder ein Inhalt 
des Selbst-Bewußtseins, in dem sich die Persönlichkeit verwirklicht, 
sondern das Selbst-Bewußtsein seihst. 
Was man Kunstwerk nennt (eine Dichtung, eine Symphonie, ein 
Bild, eine Statue usw.) ist, soweit es Kunstwerk ist, in sich ge¬ 
schlossen, unvergleichbar jedem anderen Werk; denn sein künst¬ 
lerischer Charakter trifft mit dem Gefühl zusammen, das es belebt, 
begegnet sich mit der Seele, die das Kunstwerk lenkt, und die es 
uns in unserem Innern als etwas Lebendiges empfinden läßt, für 
das unser Herz in jener geheimen Erschütterung schlägt, in der 
unser Leben selbst glüht. Dieses Gefühl ist an der Wurzel jeder 
Unterscheidung nicht unterschieden und eines: es ist ungeteilt. 
Gleichzeitig aber ist es das All. Nichts ist außer ihm, und alles, was 
durdi das Leben des Geistes ans Licht kommt, muß seinem Schoße 
entquellen, muß sein Erzeugnis sein. 
In Wahrheit ist die Zahl der Kunstwerke zu groß, um sie in 
ihrer Gesamtheit in eins zu setzen und sie mit einem umfassenden, 
doch nur von außen herantretenden Blick zu begreifen. Wer sich 
ihnen nähert und eins nach dem andern aus der Nähe betrachtet, 
dem gleicht jedes einem Baum, der uns hindert, den Wald zu sehen. 
In ihm ist eine Welt, und in dieser Welt wandelt der Geist, ohne 
je zu ihren Grenzen zu gelangen, ohne sie je zu überwinden oder 
jenseits ihrer etwas zu erkennen. Jenseits der „Göttlichen Komödie44 
gibt es für den, der sie liest und sich in die hohe Schau ver¬ 
tieft, nicht Laura, nicht Angelica, nicht Ophelia, nicht Gretchen: 
wie es jenseits des Gedankens keinen anderen Gedanken noch sonst 
etwas gibt. Ist aber die Gesamtheit des Gedankens in der „Ko¬ 
mödie44? Nein, wenn man von der Persönlichkeit des Dichters 
absieht, der mit dieser seiner Persönlichkeit sein Werk besiegelt 
und es ganz in seiner Seele oder vielmehr im Gefühl sammelt, das 
die Seele seiner Seele ist. Da aber löst man von der Dichtung den 
abstrakten Inhalt; ein Gedanke, der Gegenstand des Denkens ist 
(gedachter Gedanke, abstrakter Logos), und dieser Gedanke wird 
vom Gedanken als Teil eines weiteren Gedankens wieder auf¬ 
genommen, der die Geschichte der Bräuche, des politischen Ge¬ 
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