Full text: Philosophie der Kunst

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Die Aktualität der Kunst. 
Wenn wir psychologisch vorgehen, so gehören weder Gefühl 
noch Sinnesempfindung dem Subjekt an. Das Subjekt nimmt sie 
beide auf: es findet sie in sich, ohne zu wissen, woher und wie 
sie gekommen sind. Und mag das Problem, das die Psychologie 
zu lösen sich setzt, darin bestehen, die Initiative des Subjekts 
wenigstens in dem Willensakt zu erklären, der auf die Sinnes¬ 
empfindung und auf das Gefühl folgen würde, so ist die Psycho¬ 
logie zwangsweise schon auf dem Boden, auf dem sie arbeitet, 
veranlaßt, aus dem gleichen Willensakt nicht einen Akt des Sub¬ 
jekts, sondern einen Akt zu machen, dessen Erfüllung das Subjekt 
in seinem Bewußtsein nur zuschaut (wenn es ihn überhaupt wahr¬ 
nimmt oder so aufmerksam ist, um ihn wahrnehmen zu können). 
Tatsächlich wird auch der Willensakt als Wirkung des Gefühls dar¬ 
gestellt, das von der Sinnesempfindung verursacht ist. Der Mecha¬ 
nismus, der durch das Pförtdhen des Sinnesvermögens in das 
Bewußtsein Eintritt erhält, würde daher hier sein Lager auf- 
8chlagen und sich zu seinem Herrn und Schiedsrichter machen: er 
würde das Gefühl aufwecken und mittels des Gefühls die Feder 
des Willens losschnellen lassen. Und das Subjekt sollte immer da 
sein, diesem Spiel fremder Elemente zuzuschauen, die in sein Haus 
eingedrungen sind. 
Es ist überflüssig zu bemerken, daß auch dieses wie jedes 
schöne Spiel nur kurz dauert. Denn dieselbe Psychologie, die, um 
ihre empirische Position aufrecht zu erhalten, vor dem Bewußtsein 
die Sinnesempfindung und alles übrige (das Bewußtsein ein¬ 
begriffen!) voraussetzen müßte, muß sich, wenn sie den Tatsachen, 
die sie zu beschreiben und einzugruppieren beansprucht, einen auch 
nur kümmerlichen Charakter von Innerlichkeit zubilligen will, be¬ 
eilen, zu vereinen, was sie getrennt hat, und sie muß sich erinnern, 
daß außerhalb des Bewußtseins nichts ist, und daß ein Minimum 
von Bewußtsein — d. h. von Subjektivität oder innigem Zusammen¬ 
hang mit dem Subjekt — gleichfalls in diesen angeblichen Mechanis¬ 
mus und seine Bestandteile einzuführen ist. Sinnesempfindung als 
Bewußtseinsobjekt, gut! Aber dieses Objekt kann nicht dem Be¬ 
wußtsein voraus- und entgegengesetzt werden wie eine einfache 
Tatsache, der gegenüber dem Bewußtsein nichts übrig bleibt, als 
sie aufzunehmen und zu bestätigen. Und wenn zwischen diesen 
beiden Faktoren eine ursprüngliche und wesentliche Beziehung be¬ 
steht, so besagt das, daß die Sinnesempfindung etwas ist, wenn sie 
eine Modifikation des Bewußtseins, das heißt das Bewußtsein 
selbst ist.
	        
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