Full text: Philosophie der Kunst

Das Gefühl. 
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gemäht hat; diese Begriffe weisen auf etwas hin, was den Menschen 
dem Leben entgegenführt, in dem er sein Heil finden kann. Er 
fühlt eine innere Bedrängnis, es treibt ihn sich zu bewegen, um 
diesem Leben entgegenzugehen, das nicht in der Natur, sondern 
das das Leben des Geistes ist: etwas, was eine zweite Natur scheint, 
eine Gnade, gleichsam eine Tugend, die umsonst verliehen wurde, 
ohne daß der Mensch zu ihrer Eroberung etwas getan hätte, und 
die doch nicht jene Unmittelbarkeit ist, die die Freiheit aufhebt 
und mit ihr dem Geist jegliches Verdienst nimmt, weil sie ihn zu 
einem durchaus natürlichen Ding macht. Nein, die Gnade ist nicht 
Schicksal. Ein schwieriges Problem, in das einzudringen die Menschen 
noch lange Zeit versuchen werden; so geheimnisvoll es aber für eine 
noch unreife Betrachtung bleiben mußte, so sehr war es geeignet, 
die Menschen darüber zu vergewissern, daß der Grundsatz des 
Heils in ihnen liegt und nicht außen zu suchen ist: daß sie in ihrem 
Innern, an den Quellen jenes Lebens zu suchen hätten, das zu 
führen ihnen aufgegeben war. Dort liegt der Schatz. Das Subjekt 
begann, über das Objekt den höheren Wert davonzutragen; mit 
all der Macht seines inneren Prinzips erhob sich der Geist über 
die Natur. 
4. 
Das Gefühl in der modernen Philosophie 
bis Kant. 
Diese theologische Lehre ist den philosophischen Lehren über¬ 
legen, die in der Patristik, in der Scholastik und in der 
Renaissance das Feld behaupteten. Diese verblieben mehr oder 
weniger und in verschiedenen Formen dabei, sich auf der gleichen 
Straße zu bewegen, die von den großen Systemen der heidnischen 
Antike erschlossen und vorgezeichnet war. Als man zu der 
modernen Philosophie nach Bacon und Cartesius kam, nahmen 
Empirismus und Rationalismus auf verschiedenen Wegen die alten 
naturalistischen und intellektualistischen Motive wieder auf, die 
den Alten das Verständnis des Gefühls verschlossen hatten, und 
entwickelten sie weiter. Der Leibnizsdhe Individualismus mit dem 
Begriff der Monade läßt zum ersten Mal flüchtig den Wert der 
Subjektivität erblichen, die die Grundlage des Geistes bildet. Aber 
die Lehre der deutlichen und unterschiedenen Ideen läßt in ihrem 
Rationalismus noch nicht zu, den Wert dieses dunklen und tiefsten 
Seelenlebens anzuerkennen, in dem das Gefühl seine Wurzeln hat.
	        
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