Full text: Hans Driesch

kann wörtlich wahr sein, daß zwei Personen mit gleichen Worten 
nicht genau dasselbe sagen, so daß trotz gleicher physischer Reize 
dieselben Worte zu entgegengesetzten Effekten führen, und schon ein 
und dieselbe Person kann einen und denselben Satz im Ernst oder, 
kaum oder gar nicht unterscheidbar, aber aus dem Sinnzusammen¬ 
hang entnehmbar, in ironischem Sinn sagen und damit also Gegen¬ 
teiliges meinen und beim andern gegenteilige Wirkungen auslösen — 
falls die Ironie verstanden wird. 3. Um eine Entsprechungsmöglich¬ 
keit der, wenn sie physikochemisch ablaufen, nach ihren, aber nicht 
nach unseren Sinngesetzen ablaufenden nervösen Vorgänge etwa 
beim Denken herzustellen, versuchte die „Psychologie ohne Seele4' 
das Denken auf Assoziationen zurückzuführen, die zwischen den 
Engrammen bestünden. Aber das geht weder physikalisch noch psy¬ 
chologisch; physikalisch würde es daran scheitern, daß die (Photo¬ 
grammen oder Grammophonplatten analog zu denkenden) En¬ 
gramme durch immer neue Eindrücke ausgelöscht würden und ver¬ 
wischt werden müßten, daß in einem dreidimensionalen System gar 
nicht soviele Verbindungen da sein könnten, als gefordert werden 
müßten, — Argument der „Mächtigkeit14 — und daß die Ansprech- 
barkeit der Gedächtnisresiduen nicht auf Grund eindeutiger Ein¬ 
drücke, sondern sehr veränderlicher Gestalten und oft nur topologi¬ 
scher Ordnungen erfolgt — Erich Becher hat speziell in seinem Buch 
„Gehirn und Seele41 (1911) diese Einwände überzeugend dar¬ 
gelegt —; psychologisch scheitert es daran, daß der Denkprozeß als 
nicht auf Assoziationen zurückführbar erwiesen wurde. 
Zu 4. Wenn schon zu konkreten Vorstellungen oder selbst zu All¬ 
gemeinvorstellungen, die auf erstere zurückgehen, entsprechend 
materielle Konstellationen und Abläufe noch als natürlich gedacht 
werden könnten, welche physischen Prozesse sollen dann auf Grund 
physikochemischer Herkunft den Bedeutungsgestalten wie „wenn . . . 
so14, „nein44 (non, no), „warum44 (cur, why . . .), welche den Gedan¬ 
ken „es gibt unendlich viele Primzahlen44, „es gibt vollkommene 
Zahlen44 (die die Summe aller ihrer Teiler sind z. B. 28 = 1 -f 2 + 
4 + 7+14) entsprechen? Die Worte sind hier nichts als konventio¬ 
nell geschaffene Zeichen für die Gedankeninhalte; den Wörtern als 
Lautempfindungen mögen physische Zustände und Vorgänge ent¬ 
sprechen, aber was entspricht dem sehr vielfältig ausdrüdkbaren 
inneren Gehalt, dem Bedeutungsverständnis selbst? Und endlich 
und nicht zuletzt 
5. Erlebnisse sind wesensmäßig subjektbezogen, was entspricht 
im Physischen dem Subjekt? Wenn wir uns damit helfen wollen, daß 
im Sinne des universellen Parallelismus die Zellen, Moleküle, Atome, 
Elemente selber Subjekte sind, die das an ihnen sich vollziehende 
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