auf die Möglichkeit einer kritischen Metaphysik als eines Systems
„hypothetischer Aufstellungen über das Wesen der Dinge“. Dieser
realistische, kritische Einfluß wird vertieft durch Alois Riehls Vorle¬
sungen und Schriften, die Driesch mit der realistischen Kantinter¬
pretation dieses Denkers vertraut machen.
Auf diesen Grundlagen aufbauend, versuchte Driesch vorerst seine
Versuchsergebnisse durch eine formal teleologische Maschinentheorie
des Lebens zu erklären. Nach dieser ist der Organismus einer Ma¬
schine vergleichbar, an der das Zustandekommen der einzelnen Teile
mechanisch verständlich ist, ebenso die Wirkungsweise des Ganzen,
nicht aber, warum die einzelnen Teile so und nicht anders kombiniert
werden können; dieses könne, meint er, nur durch den Begriff der
Zweckmäßigkeit erklärt werden8 9.
In seiner 1894 erschienenen „Analytischen Theorie der organischen
Entwicklung“ stellt er der Keimplasmatheorie seine eigene Theorie
entgegen, die auf der Grundanschauung ruht, daß die prospektive
Bedeutung der Furchungszellen eine Funktion ihrer Lage im Ganzen
ist und sich mit ihrer Lage ändert, aber immer so, daß sie zu einem
ganzen Organismus führt. Ein Jahr später aber erkannte Driesch,
„daß auf mechanischem Boden für eine Reihe seiner Versuchsergeb¬
nisse der zureichende Grund fehle und zwar mit Rücksicht auf die
Lokalisation dessen0, was in jedem Fall geschah“.
Und nun gilt seine Arbeit einer neuen Theorie des Lebens, die
seinen Versuchsergebnissen und der durch diese erwiesenen Eigen¬
ständigkeit des biologischen Bereiches gerecht wird. In einer Reihe
von Arbeiten versucht er, diese zu begründen und auszubauen. Ihre
systematische Zusammenfassung und ihren Abschluß findet diese
Arbeit in den 1907/08 in Aberdeen als Gifford Lecturer gehaltenen
Vorlesungen über „The Science and Philosophy of the Organism“,
die 1909 in deutscher Sprache als „Philosophie des Organischen“ er¬
schienen sind. In ihr hat Driesch die Neubegründung des Vitalismus
geschaffen und den Mechanismus endgültig widerlegt10. Sie ist auch
das Dokument seiner endgültigen Wandlung zum Philosophen. In
diesem Werdegang lag eine zwingende Folgerichtigkeit. Sein biolo¬
gischer Forschungsweg hatte ihn vor philosophische Probleme ge¬
stellt, deren Bewältigung er als seine Lebensaufgabe erkannte. Ein¬
gehende philosophische Studien hatten ihm das hiezu nötige Rüstzeug
vermittelt. Neben Liebmann und Riehl hatte er die systematischen
Werke der Philosophie seiner Zeit, wie Lotjes und Sigwarts Logik,
** Hans Driesch: Die Biologie als selbständige Grundwissenschaft, Leipzig 1893,
Seite 14.
9 Hans Driesch: Mein System und sein Werdegang, S. 4.
10 Aloys Wenzl: Hans Drieschs philosophisches Erbe, S. 196.
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