Das ist die Ansicht von unten, aber für dieselbe Sache, für die es auch
eine metaphysisch geartete und Gemütsbedürfnisse wohl besser befriedi¬
gende Ansicht von oben gibt. Anders gesagt: Die Entelechie ist frei und
gebunden: sie greift in die Unbestimmtheiten ein, die atomphysikalisch,
chemisch, kolloidchemisch und elektrisch in den Körpersäften, in Muskeln,
beliebigen Organen, Nerven usw. bestehen; sie ist indessen an die Grenzen
gebunden, die für jene Freiheiten innerhalb eines Spielraumes bestehen.
Im Falle auftretender „Störungen“ kann es Mißbildungen, Entartungen,
Heilungsmöglichkeiten, Dystelien geben, die nicht durch ein Umgruppieren
und Um-Inserieren vermieden oder beseitigt werden können — so gern
das wohl die Entelechie erreichen möchte! Alle diese Dinge werde ich im
neuen Jahre noch gründlicher durchdenken müssen, wenn ich an Robert
Mayers Kausalbegriff (und seine Weiterverfolgung) herangehe. Ich freue
mich schon darauf, trotj der großen Schwierigkeiten; ist doch intellektueller
Fortschrittsoptimismus wohl derjenige Optimismus, der am längsten
vorhält.
Irgendwie muß auch eine „Harmonie“ zwischen der Ansicht von unten
und der Ansicht von oben erreichbar sein. Metaphysisch halte ich es für
durchaus möglich, daß z. B. bei Entstehung neuen Lebens ein Anstoß von
oben (Diugsehöpfung nach Driesch) geschieht — eine platonische Idee
könnte den Anstoß geben — und so einen Effekt liefert, der sich „von
unten“ allein (Genmutation durch terrestrische und kosmische Einflüsse)
nicht ableiten läßt. Eben darum kann die Wissenschaft solche transzendente
Einflüsse (Wunder) nicht gebrauchen, obwohl sie deren Möglichkeit zu¬
geben sollte; eine Verlegung von Naturgesetjen inbezug auf Materie und
Energie braucht das noch lange nicht zu sein. (Ich nehme hier immer die
Katalyse als Modell verborgener nichtmaterieller und nichtenergetischer
Impulse, die durchaus mehr tun als uns „zu spendieren“! Ihr psychisches
Gegenbild ist der Wille.) Ihr harmonisch-äquipotentielles System mit seiner
prospektiven Potenz und prospektiven Bedeutung wird sich in mein Be¬
griffssystem, in meine Nomenklatur auch einfügen lassen. Nur möchte ich
stärker die Spielraumsgrenzen betonen, die ja in den Beschränktheiten von
Regeneration, Koordination und Heilungsaussichten immer wieder sicht¬
bar werden.
Tatsächlich sind im Organismus fortdauernd eine Summe von Möglich¬
keiten in eine Ganzheit der Wirklichkeit gewandelt; innerhalb bestimmter,
zuweilen recht enger Grenzen. So kommt es, daß für die Forschung im
großen und ganzen eine Kausal-Methodik von unten leistungsfähiger und
fruchtbarer ist, daß aber dennoch die Möglichkeit einer dauernden höheren
entelechialen Führung als einer Kausalität von oben nicht geleugnet wer¬
den sollte. M.
und Willenshandlungen voraussehen und Voraussagen zu können, wird tatsächlich
die Kenntnis materieller Konstellation nicht genügen; die organischen Befehle
von innen und oben sind nicht einfach „Stoff-Resultate“, sondern etwas anderes
(Emergenz, Direktion von oben).
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