Full text: Hans Driesch

chologische Erfahrung heranziehen: Die Entelechie verwirklicht 
ihre Idee, indem sie sie „telepathisch“ der organischen Substanz mit¬ 
teilt, sie ihr „suggeriert“ nach Maßgabe der Fassungsmöglichkeit; 
sie findet den Weg zur Verwirklichung dank einer uns nicht oder 
nicht mehr gegebenen „Hellsichtigkeit“. Die mnemischen Einflüsse 
aber würden einer psychometrischen Auslösung analog sein können. 
Es mag also erlaubt sein, ja durch die Verpflichtung zu einer um¬ 
fassenden Rechenschaftsablage geboten, daß wir das, was wir früher 
über das „Wie“ der entelechialen Wirkung gesagt haben — Ein¬ 
leitung und Leitung der Korpuskulierung, Herbeiführung sonst nur 
virtueller nicht realer mikrophysikalischer und schließlich makro- 
physikalischer Vorgänge durch sinnhafte Auswahl unter den Mög¬ 
lichkeiten — durch einen Hinweis auf die abnorme Verwirklichung 
von Vorstellungen ergänzen. Noch näherliegend als für die ontoge- 
netische Entwicklung würde eine solche Vermutung für die phylo¬ 
genetische sein. 
7. Das Versagen der Entelechie 
Zum Leben gehört der Tod — eine Selbstverständlichkeit mit 
dem Doppelgesicht der Selbstverständlichkeiten: Eine Banalität 
nach ihrer Tatsächlichkeit, ein Rätsel nach seiner Ursächlichkeit und 
eine Aufforderung zur tiefstmöglichen Besinnung: Muß der Tod 
zum Leben gehören? Ist es die „Schuld“ der Entelechie oder ihre 
Niederlage? Und die gleiche Frage begegnet uns, wenn wir nach 
dem Wesen der Krankheit fragen und nach der Möglichkeit der 
Mißbildungen. Und in weiterem Sinne begegnet sie uns, wenn wir 
diese Fragen nicht auf das Einzelwesen, sondern die Arten der 
Lebewesen selbst richten. Man sieht die Fragen nicht aus der Frosch¬ 
perspektive der bloßen Tatsachenkenntnis und übersieht sie aus 
einer allzu summarischen Vogelperspektive weltanschaulicher Art. 
Ob und inwieweit wir zu einer Antwort kommen können, die uns 
die Tatsächlichkeit verstehen läßt, ist nicht vorauszusagen; in die 
Erörterung aber müssen wir uns wagen — mag sie der eine dann 
rechtfertigen als den Weg zur Metaphysik oder der andere als 
Beitrag zur „Anthropologie“ im weitesten Sinn oder der dritte als 
den Stachel, der die Wissenschaften vorwärtstreibt. Es ist wie 
symptomatisch, daß diese Frage, freilich im Lauf seines Denkerle¬ 
bens oft gestellt, das letzte Thema bildete, über das Hans Driesch 
uns seine Meinung hinterlassen hat. Wir sprechen zunächst nur 
vom natürlichen Tod, vom Tod an Alter und Krankheit. 
Ist es die widerspenstige aufständische, aufsässige Materie, der 
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