Full text: Hans Driesch

Richtung auf sie, eines Zusammenhaltes von gegebener oder gestell¬ 
ter Aufgabe mit dem Bewußtwerden sich darbietender für die Lö¬ 
sung günstiger Inhalte, so daß man zwar bestreiten kann, daß etwa 
geniale Intuition und Produktion bewußt zustande kommt, aber 
nicht, daß es hoher Bewußtheit für die Vorbereitung und die Er¬ 
fassung der aufsteigenden Lösung bedarf? Davon kann aber doch 
gerade auch nach Wolterecks eigener Meinung auf untermenschlicher 
Stufe nicht die Rede sein. Eine Reihe gerade der Probleme, um die 
es sich bei der Artentwicklung und Artentstehung handelt, fordert 
irgendwelche Antizipierungen (wie übrigens das „antizipierende 
Schema“ auch im menschlchichen Denken seine Rolle spielt), vor¬ 
wegnehmende Zielstellungen und zugehörige Wegfindung. Der den 
Einzelsubjekten unbewußte Drang also zur Steigerung und Entfal¬ 
tung, das Entstehen von bestimmenden Ideen, Bildern nach Massen¬ 
haften Normen können wir nicht anders verstehen, als daß hier ein 
überindividueller Wille am Werke ist, der getragen wird von einer 
den Sonderentelechien übergeordneten Instanz, wir mögen sie Über- 
entelechie oder Naturseele nennen, an deren Steigerungstendenzen 
das Individuum teilnimmt, die den entsprechenden Drang in den 
Einzelsubjekten entstehen läßt, erweckt. 
Wir betrachten also die von Woltereck angenommene Spontanität 
und Autoplastizität, die Freiheit zu einer imagoiden Produktion in 
beschränktem Rahmen und die Potenz zur Verwirklichung solcher 
„Bilder“ wohl als ernsthaft in Betracht zu ziehendes Erklärungs¬ 
prinzip, aber eben nur als Weg, eine schon gegebene Idee in „Spiel¬ 
arten“ — das Wort hier in weiterem Sinn gemeint als in der syste¬ 
matischen Biologie — zu entfalten und abzuwandeln. 
Wie aber können die Grundtypen selbst entstanden sein? Die Na¬ 
turgeschichte zeigt uns immer nur fertige durchaus lebensfähige 
Organismen, auch wenn sie „juvenil“ sind. Die Gabelungsstellen 
sind uns nicht bekannt. Ja, es fällt uns schließlich immer schwerer, 
sie auch nur vorzustellen. Wie kann der Urahne der Säugetiere aus¬ 
gesehen haben, wie gar der gemeinsame Ahne der Wirbeltiere? oder 
gar der von Wirbeltier und Insekt? schließlich von Pflanze und 
Tier? Wir kommen am Ende auf Einzeller; für die Vielzeller werden 
unsere Zeichnungen immer schematischer, die Allgemeinvorstellun¬ 
gen immer abstrakter, die Begriffe immer nominalistischer. Die Ab¬ 
zweigung müßte je von einem noch sehr unspezialisierten, multi¬ 
potenten, wandlungsfähigen Wesen ausgegangen sein und sie müßte 
entweder postembryonal, eine Umwandlung, Umorganisation ge¬ 
wesen sein oder, was einleuchtender erscheint, in jenen Stadien, in 
denen ein noch nicht lebensfähiges Wesen erst im Werden ist, em¬ 
bryonal erfolgt sein, durch zielstrebige Keimgangmutation, um das 
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