In einem Alpenort war es dann auch, wo mein Mann und ich uns
im September 1898 verlobt haben. Kennengelernt hatten wir uns
eigentlich flüchtig in Zürich im Restaurant Schneebeli, wo mein Vater
und ich mit einigen Bekannten auf der Durchreise zu abend aßen.
Drei Jahre später begrüßte uns im Vestibül vom Karersee-Hotel, als
sich meine Eltern mit meiner Schwester und mir dort einige Zeit auf-
hielten, ein junger Mann, und das war Hans Driesch. Zwei Wochen
täglichen Beisammenseins in der romantischen Dolomitengegend
brachte uns rasch einander näher. Verlobt haben wir uns dann in San
Martino di Castrozza am Fuße der Cima della Pala, wohin wir uns
alle im Anschluß an den Karersee-Aufenthalt begehen hatten.
Wir waren ein sehr glückliches Brautpaar. Für mich verkörperte
Hans Driesch alles das, was ich mir als Mädchen von einem Lebens¬
gefährten gewünscht und erhofft hatte, und Briefe von ihm an seinen
Hamburger Jugendfreund Wilhelm Kiesselbach3 aus jener Zeit strö¬
men über von Glück. Wir heirateten ein halbes Jahr später, am 23.
Mai 1899, in Meran, und als wir vom Meraner Hof. wo das Hochzeits¬
essen stattgefunden hatte, am Nachmittag im offenen „Fiaker“ nach
der Bahn fuhren, gab es auf der ganzen Welt sicher kein junges Paar,
das der Zukunft hoflfnungsfreudiger und vertrauensvoller entgegen¬
sah als wir, und ich darf heute sagen, unser gemeinsames Leben hat
gehalten, was wir von ihm erwarteten.
Nach einer ausgedehnten Hochzeitsreise, die uns u. a. nach Bayreuth
zu den Wagnerfestspielen und auch nach Hamburg führte, wo ich
meines Mannes beste Jugendfreunde, Dr. ehern. Cäsar Ahrens und
Dr. Wilhelm Kiesselbach mit ihren Familien kennenlernte, landeten
wir im Herbst in Neapel. Erwähnen will ich noch, daß mein Mann
auch auf dieser ausgedehnten Hochzeitsreise in Schweizer Orten, wo
wir uns länger aufhielten, wissenschaftlich arbeitete. In Neapel, wo
mein Mann nun schon im zehnten Jahre seine Forschungen durch¬
führte, lebten wir in unserem ersten Ehewinter, unterbrachen diesen
Aufenthalt aber im Februar und März mit einer Reise nach Ägypten.
Mein Mann, der es schon kannte, legte Wert darauf, daß auch ich
dieses alte Kulturland sehen sollte. Gut vorbereitet, haben mir dann
die Tempel und Königsgräber der alten ägyptischen Reiche sowie die
malerischen Moscheen des Islams in Kairo die nachhaltigsten Ein¬
drücke hinterlassen. Machten wir Bekanntschaften auf unseren Reisen,
so hielt man meinen Mann oft für einen Architekten wegen seines
Interesses an schönen Bauten. Von seinem eigenen Arbeitsgebiet
sprach er nie mit Fremden.
3 Dr. Wilhelm Kiesgelbach, Hamburger Rechtsanwalt, nach dem Weltkrie
kommissar in Washington für die „German-American Claims“ und
Hamburg Präsident des Hanseatischen Oberlandesgerichts.