Full text: Hans Driesch

Physik) Querschnitt auf Querschnitt durch die Kausalkette ergäbe, 
während im zweiten echte Gestalten Vorlagen, echte ganzheitliche 
Gebilde, deren Querschnitte „enger“, d. h. nicht nur kausal mitein¬ 
ander zu einem Ganzen verbunden wären. Nun betrachtet die all¬ 
gemeine Relativitätstheorie das vierdimensionale Raumzeitkon¬ 
tinuum als einen realen „Riemannschen“ Raum, d. h. eine Mannig¬ 
faltigkeit, zu deren Charakterisierung vier Veränderliche für jeden 
Punkt notwendig sind, in der aber von Bereich zu Bereich der Ma߬ 
stab wechselt wie auf einer Landkarte, je nach der Erfülltheit die¬ 
ses Bereiches mit Materie und Energie und ihren Kraftfeldern, je 
nach der „Intensität“ dieses Bereiches, könnten wir kurz auch 
sagen; mathematisch drückt sich diese veränderliche „Metrik“ als 
variable „Krümmung“ aus. Wollen wir uns wieder eine anschauliche 
Vorstellung von dieser „Krümmung“ machen, so müssen wir jetjt 
zwei Dimensionen des Raumes unterdrücken und uns das ganze 
vierdimensionale Kontinuum als zweidimensionale gekrümmte 
„Weltfläche“ vorstellen. Man denke etwa als Näherung eine Zy¬ 
linderfläche, deren Querschnitte den Raum repräsentieren, aber 
nicht Kreise zu sein brauchen, sondern wie verknitterte Kurven 
aussehen könnten. Auf dieser Zylinderfläche stellen dann die Man¬ 
tellinien die Weltlinien der Körper, Elemente und die Lebenslinien 
der Leiber dar. Die Körper und Korpuskeln selbst müßten als 
Singularitäten irgendwie gekennzeichnet sein, z. B. schon die Ele¬ 
mente als Quellen der Kraftlinien, als „Ursachen“ der Krümmung. 
Weyls Gedanke ist nun der, daß diese Weltlinien der Kraftzentren 
gekennzeichnet werden sollten durch unendliche „asymptotische“ 
Rinnen, die sich aus der Weltfläche hinaus, in deren „Inneres“ 
hinein ins Bodenlose erstrecken, in eine fünfte Dimension also! Die 
Weylsche Innendimension entspricht also gar nicht der Zeit, son¬ 
dern nur einer fünften Dimension, die zwar längs der realisierten 
Zeitlinien, der Weltlinien, aber „senkrecht“ zu ihnen zu denken 
wäre. Es mag Weyl dabei ein Gedanke vorgeschwebt haben, wie er 
einem in der Physik (unabhängig von der Relativitätstheorie und 
der Weltmetrik) begegnet, wenn man eine Ladung als Quellpunkt 
für einen Kraftfluß betrachtet (Symbol der theoretischen Physik 
e = div@); es fließen unerschöpflich die Kraftlinien aus dem Kraft¬ 
zentrum; woher fließen sie? Aus einer vierten Dimension, möchte 
man sagen, wenn man an einen augenblicklichen Raumzustand 
denkt, aus einer fünften müssen wir sagen, wenn wir die vierte 
Dimension schon für die Zeit vergeben haben35. Die Zeitdimension 
35 Auch an Stöhrs „Disjektion“ in der Schrift „Wege des Glaubens“ (1921) 
wäre in diesem Zusammenhang zu erinnern, mit der sich auseinanderzuseljen 
hier aber doch zu weit führen würde. 
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