Full text: Hans Driesch

met gewesen und ihr Ergebnis ist, daß nunmehr die schon einleitend 
erwähnte „Mikrophysik“ der „Makrophysik“ gegenübersteht. Hat 
sich damit auch für das Lebensproblem etwas Entscheidendes ge¬ 
ändert? 
Es ist nicht leicht, die Kerngedanken der Mikrophysik aus dem 
zweifellos fruchtbaren, aber nach Sinn und Bedeutung schwer 
durchschaubaren und noch nicht endgültig geklärten mathematischen 
Formalismus herauszuschälen, aber soviel steht fest: Es reichen für 
das molekulare, atomare und elementare Geschehen die Vorstellun¬ 
gen und Gesetje der sogenannten klassischen Physik nicht hin. Atome 
und Moleküle sind selbst ganzheitliche Gebilde, für deren Erhaltung, 
Veränderung und Bestimmbarkeit eine der wichtigsten universellen 
Konstanten, das sogenannte Plancksche Wirkungsquantum, eine ent¬ 
scheidende Rolle spielt. Die Dimension dieses Wirkungsquantums 
„h“ ist Energie mal Zeit (6,62XlO-27 erg. • sec.). Von den Letjt- 
elementen, die ihrerseits als die „Bausteine“ des Atoms gelten, kön¬ 
nen wir nicht mehr sagen, sie seien jeweils an einem bestimmten 
Ort (ideal in einem Raumpunkt), sie hätten eine eindeutige Bahn, 
die sie kontinuierlich durchlaufen, von den Leßtereignissen nicht 
mehr, sie erfolgten in einem bestimmten Zeitpunkt mit einem 
exakten, bestimmten zugehörigen Energieumsatj. Wir können nur 
den Ort einengen, wo sie sich geltend machen; aber je mehr wir es 
nach Lage der Dinge tun bzw. durch einen experimentellen Eingriff 
provozieren können, umsomehr verlieren wir die Zukunft, die Be¬ 
wegungsgröße und Richtung aus dem Auge; je mehr uns an dieser 
liegt, umso größer wird unsere Unsicherheit in Bezug auf den 
gegenwärtigen Ort; je genauer wir die Zeit messen, umso unsicherer 
wird unsere Aussage über die Energie und umgekehrt. Und zwar 
ist diese „Heisenbergsche Unsicherheitsrelation“ — das Produkt der 
Ungenauigkeit von Ort und Bewegungsgröße (Impuls), bzw. von 
Energie und Zeit ist mindestens gleich h (1926) — nicht etwa — 
darüber ist sich die theoretische Physik einig — eine Folge der 
Unzulänglichkeit unserer Messungen und der uns heute zur Ver¬ 
fügung stehenden Meßmittel, eine „derzeitige“ Grenze also, über 
die hinauszukommen wir durch bessere Vorrichtungen hoffen dürf¬ 
ten, sondern sie ist eine Naturgegebenheit, eine endgültige Grenze. 
Es ist aber auch nicht so, wie manche theoretische Physiker glauben 
oder zu glauben wenigstens durch ihre Darstellung nahelegen, als 
ob es sich nur um eine reine „Subjekt-Objektrelation“ handle: Durch 
unseren störenden Eingriff, der auf die Beobachtung der einen von 
den beiden „komplementären“ Größen gerichtet ist, machen wir es 
eben unmöglich, die andere gleichzeitig zu erfassen, so wie ein Psy¬ 
chologe nicht gleichzeitig sich selbst beobachten kann, ohne seinen 
104
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.