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I. Einleitung1.
Man bat Denken und Erkennen so unterscheiden wollen,
daß ersteres bloß eine Beschäftigung mit unseren subjek¬
tiven Vorstellungen sei, die an sich den Gegenstand, oder
das, was ist, nicht zu treffen brauchte; während Erkenntnis
die Übereinstimmung der Vorstellungen mit dem Gegen¬
stände bedeute, die umgekehrt durch kein bloßes Denken
garantiert sei, denn denken lasse sich in schrankenloser
Willkür auch, was nicht ist. Allein, wenn der Gegenstand
an sich ganz außer dem Bereiche des Denkens wäre, so
wäre er damit auch aller Erkenntnis entzogen. Was er¬
kannt sein soll, muß aussagbar und mit Sinn aussagbar,
also gedacht sein. Soll das Sein erkennbar sein, soll
überhaupt die Aufgabe, es zu erkennen, einen Sinn haben,
so muß es sich auch denken lassen.
Man pflegt zu antworten, das Sein könne in der Wahr¬
nehmung gegeben sein, unabhängig von allem Denken.
Allein auch der Gegenstand der Wahrnehmung muß, wenn
Wahrnehmung Erkenntnis liefern soll, sich denken lassen.
Jeder Sinn der Aussage einer Wahrnehmungstatsache
wäre aufgehoben, wenn nicht das Wahrgenommene sich
auch denken ließe. Wirklich besteht der Inhalt einer
solchen Aussage lediglich aus Bestimmungen des Denkens.
Selbst die Gegebenheit, Wirklichkeit, Tatsächlichkeit,
die das Unterscheidende des Wahrnehmungsdatums aus¬
machen soll, ist Denkbestimmung. Sie besagt völlige Be¬
stimmtheit des Soseins, mit Ausschluß des Andersseins,
oder vollständige Determiniertheit des Gedachten, welche
beruht auf der nach bestimmten Gesetzen geschehenden
Einordnung des einzelnen Gedachten in den als einzig
vorausgesetzten Zusammenhang des in Zeit und Raum
Wirklichen. Diese vollständige Determination des Ge¬
dachten ist aber nur die Vollendung jener Gesetzesordnung
der Vorstellungen, die überhaupt die Aufgabe des Denkens
ist. Sie ist gefordert um jener Einheit willen, die das
Denken sucht. Also ist Erkenntnis nur die Vollendung
des Denkens; Erkennen heisst denken, aber bis zu Ende
denken. Also sind die Grundgesetze des Denkens eben
damit die Grundgesetze des Erkennens, und die Logik,
als Gesetzeslehre des Denkens, zugleich Gesetzeslehre der
Erkenntnis.