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II. Elementarlehre.
entnehmen hätte, lim zu ihren eignen Begriffen zu gelangen,
sondern indem den Forderungen der Anschauung durch die
eignen Mittel des reinen Denkens genügt wird. Es ist
damit die gemeinsame letzte Grundlage der Arithmetik
und Geometrie aufgedeckt und die strenge Einheit der
mathematischen Wissenschaft in ihrem logischen Fundament
gesichert.
II. Mathematische Physik.
§ 29. Zeit und Raum.
Die Gesetze der Zeit und des Raumes folgen aus den
Gesetzen der Größe, unter Hinzutritt der Bedingung der
vollständigen Determination einer alle vereinbaren Rich¬
tungen der Größensetzung vereinenden einzigen Ordnung.
Dieses Merkmal der Einzigkeit hatte Kant im Sinne, wenn
er Zeit und Raum als „Anschauungen“ von bloßen Begriffen
unterschied und ihnen demgemäß ihre Stelle nicht in der
„transzendentalen Logik“, sondern abseits von dieser in
einer „transzendentalen Ästhetik“ anwies. Doch sind sie
ihm nicht Angeschautes, sondern ursprüngliche Weisen —
die Dissertation von 1770 sagt geradezu: Gesetze — des
Anschauens; Arten, wie das Mannigfaltige der Erscheinungen
sich „in gewissen Verhältnissen ordnet“, nämlich den Ver¬
hältnissen des Nach- und Nebeneinander. Also die Funktion
des Anschauens besteht in einem Ordnen nach bestimmten
Verhältnissen. Damit rückt aber die Anschauung in die
nächste Nachbarschaft der Denkfunktionen, und zwar derer
der Relation, welches eben die Funktionen der Ordnung
sind, und zwar mit dem Ziele einer Ordnung in einziger
Art. Darauf zielt auch die fernere Bestimmung, wonach
Anschauung, im Unterschied vom Begriff, unmittelbare, nicht
mittelbare Vorstellung des Gegenstands sein, oder durch
sie der Gegenstand gegeben, nicht bloß gedacht, oder die
Gegenstände in Zeit und Raum, nicht bloß unter ihnen
als gemeinsamen Merkmalen vorgestellt sein sollen. Auf
der Höhe der Konsequenz der kritischen Methode ist nichts
gegeben abseits des Denkens; nur eine ursprüngliche Denk¬
funktion kann es sein, durch die zumal der Gegenstand
gegeben wird. So erklärt auch eine Anmerkung der 2. Auf¬
lage der Kritik der reinen Vernunft (zu § 26), daß durch