I. Einleitung.
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schäften, welche die Erforschung je eines besonderen Ge¬
bietes von Gegenständen zur Aufgabe haben, ist nicht darin
erschöpft, daß letztere ebenso viele Anwendungen der lo¬
gischen Gesetze als ihres gemeinsamenWerkzeugs („Organon“)
sind, sondern, da die Objekte der Wissenschaften, zunächst
der exakten, Mathematik und mathematischer Naturwissen¬
schaft, selbst logische Schöpfungen sind, so erstreckt sich
die logische Untersuchung notwendig bis zu den Grund¬
begriffen und Grundsätzen der Wissenschaften, um deren
Erzeugung aus den ursprünglichen Denkelementen nach¬
zuweisen, sie dadurch aufzuhellen und nötigenfalls richtig¬
zustellen. Insbesondere ist die Einheit der Wissenschaften
zu begründen in der Einheit ihres logischen Fundaments,
d. h. nicht bloß im Gebrauch derselben Denkverfahren,
sondern darin, daß der Grundplan, nach welchem ihr gemein¬
samer Gegenstand sich aufbaut, in der von der Logik dar¬
zulegenden Grundgesetzlichkeit der Gegenstandserkenntnis
überhaupt vorgezeichnet ist. Jede besondere Wissenschaft
konstituiert ihren eigentümlichen Gegenstand in eigentüm¬
lichen Gesetzlichkeiten des Denkens; daß aber diese be¬
sonderen Gegenständlichkeiten sich in einer einzigen Gegen¬
ständlichkeit vereinen, daß z. B. nicht das Objekt der
Mathematik eine Welt für sich bildet, das der Naturwissen¬
schaft eine zweite, und so fort, sondern der Gegenstand
der Naturwissenschaft sich von seinem Ursprung an in
mathematischer Gestalt aufbauen muß, und so durchweg,
findet seinen Grund in der Urgesetzlichkeit der Erkenntnis,
die sie alle in notwendigem innerem Zusammenhang mit
einander erzeugt. Daher sind einerseits die Wissenschaften
gerade in ihren entscheidenden Fortschritten durch die
Vertiefung der logischen Einsicht bedingt, und bieten
andrerseits die in einigem Maße abgeschlossenen Wissen¬
schaften der logischen Forschung das zuverlässigste Material.
Der deduktive Gang des wissenschaftlichen Beweises be¬
ginnt bei den logischen Grundgesetzen und endet bei den
besonderen Gesetzen der Einzelwissenschaften; umgekehrt
sind die logischen Grundgesetze an den bisher gesicherten
Ergebnissen der letzteren induktiv aufzuweisen und zu er¬
proben; denn eben weil diese selbst logischen Ursprungs
sind, müssen sie die Elemente des Logischen in sich tragen.