niemand je eine solche Gewalt fordern. Die Erfah¬
rung beweist das bereits. Man verleiht zum Beispiel
nicht mehr der ganzen Gesellschaft das Recht, ohne
Richterspruch über Leben und Tod zu urteilen. Des¬
halb trachtet auch keine moderne Regierung danach,
ein solches Recht auszuüben. Wenn uns die Tyran¬
nen der altertümlichen Republiken viel zügelloser
erscheinen als die Herrscher der modernen Ge¬
schichte, so muss man das zum Teil dieser Ursache
zuschreiben. Die ungeheuerlichsten Anschläge der
Alleinherrschaft hat oft die Lehre von der schran¬
kenlosen Gewalt aller verschuldet.
Die Begrenzung der Souveränität ist bereits ver¬
wirklicht worden: sie ist also möglich. Sie wird an¬
fänglich durch die Kraft gewährleistet werden, wel¬
che alle von der öffentlichen Meinung anerkannten
Wahrheiten schützt, und dann auf eindeutige Weise
durch die Trennung und das Gleichgewicht der Ge¬
walten.
Zu allererst muss man aber diese heilsame Begren¬
zung anerkennen. Ohne diese Vorbedingung ist alles
vergeblich.
Wenn man die Volkssouveränität in ihre gerech¬
ten Grenzen einschliesst, hat man nichts zu fürch¬
ten. Man entzieht der Gewaltherrschaft, sei es der
Einzelmenschen oder der Versammlungen, die schein¬
bare Gesetzeskraft, die sie aus einer von ihr selbst
befohlenen Zustimmung schöpft; denn man kann
nun beweisen, dass diese Zustimmung, wenn sie in
der Tat vorhanden wäre, keine Macht hat, etwas
gesetzlich zu bestätigen.
73