sern Glauben selber bestimmen dürfen; den Alten
wäre dies als schändliches Verbrechen erschienen.
Die Gewalt des gesellschaftlichen Körpers behindert
den Willen des Einzelnen: sie greift in diejenigen
Angelegenheiten ein, die uns am teuersten sind. In
Sparta kann Terpander seiner Leier keine Saite bei¬
fügen, ohne dass die Ephoren es übelnehmen. Selbst
in die häusliche Gemeinschaft mischt sich die Regie¬
rung ein. Der neuvermählte Spartaner darf seine
junge Gattin nicht frei besuchen. Die Gesetze ord¬
nen die Sitten, und da die Sitten mit allen Lebens¬
äusserungen verbunden sind, gibt es nichts, das die
Gesetze nicht ordnen.
So ist also bei den Alten der Einzelne fast durch¬
wegs Herrscher in öffentlichen Angelegenheiten, je¬
doch Sklave in allen seinen privaten Beziehungen.
Als Bürger entscheidet er über Krieg und Frieden;
als Privatmann ist er überwacht, eingeschränkt und
unterdrückt in allen seinen Bewegungen. Als Teil
der gesamten Körperschaft verhört er, setzt er ab,
verurteilt, verbannt und tötet er seine Räte und
Oberen; als ein dieser Körperschaft Untergebener
kann er seinerseits durch den unumschränkten Wil¬
len der Gesamtheit, der er angehört, seines Standes
und seiner Würden beraubt, verbannt und getötet
werden. Umgekehrt ist der Einzelne bei den Moder¬
nen unabhängig im Privatleben, jedoch selbst in den
freiesten Staaten nur scheinbar souverän. Seine
Hoheitsrechte sind beschränkt, beinahe immer auf¬
gehoben; bloss in bestimmten, aber seltenen Zeitab¬
schnitten, während welchen er noch von Vorsichts-
3i