Full text: Über die Freiheit

Staat, sondern ausschliesslich der einzelne Mensch das 
Mass der abzutretenden Rechte zu bestimmen habe. 
Man hat Constant vorgeworfen, er habe die poli¬ 
tische Macht nirgends festgelegt, er habe sie sowohl 
in der Person eines Einzelnen wie in der Hand aller 
Menschen abgelehnt und sie nicht, wie er es eigent¬ 
lich hätte tun sollen, innerhalb einer Aristokratie 
zusammengezogen. Wohl hält Constant — er nennt 
sich ja selber nicht mehr de Constant — nicht viel 
vom alten Adel, aber er überträgt die Machthoheit 
einer neuen Elite: den Reichen. Nur die Besitzenden 
hätten Zeit, sagt er, sich die Einsichten und die Grad- 
heit des Urteils zu erwerben, welche nötig sind, um 
die Freiheiten und Rechte der Menschen sicherzu¬ 
stellen. Nur sie seien imstande, nach den ewigen 
Grundsätzen der Gerechtigkeit die politischen Rechte 
auszuüben und gerichtliche Urteile zu fällen, das 
heisst, die Würde des Menschen zu wahren. Das be¬ 
deutet, dass die Grenze zwischen Staat und Mensch, 
dass die Rechte der Menschen von den Vertretern 
der Elite bestimmt werden. 
Diesem System droht in seiner Verwirklichung 
die Gefahr, dass die Menschen ihre Entschlüsse statt 
nach dem Gewissen nach ihren Wünschen richten, 
dass die leitenden Männer nur für ihren Vorteil statt 
für die Würde aller kämpfen. Constant selber fehlte 
es nicht an Grossmut, setzte er sich doch für andere 
Menschen, für Verurteilte, für die Griechen, für die 
Neger, gegen die Verteuerung des Kornes ein. Aber 
er täuschte sich in der Beurteilung der neuen Führer¬ 
schicht. Er glaubte, nur die volle Wirtschaftsfreiheit 
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