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61 Über die Volks Souveränität und ihre Grenzen
«Cours de politique constitutionnelle», Band i, S. 173
ff. (Paris, 1818). Diese Betrachtung bildet zusammen
mit der folgenden über die persönlichen Rechte einen
erweiterten Nachdruck des ersten Kapitels der «Prin-
cipes de Politique*.
Die Schlussabschnitte beziehen sich nicht mehr auf das
Thema und sind deshalb in die vorliegende Übersetzung
nicht aufgenommen worden.
61 Ohne eine eindeutige Begriffsbestimmung, welche ich bis
jetzt nirgends gefunden habe: Anmerkung Constants:
Im «Esprit des Lois» gibt es wohl einige Worte, welche
die Volkssouveränität zu beschränken scheinen. Wenn
Montesquieu sagt, dass die Gerechtigkeit älter sei als
die Gesetze, so meint er damit ohne Zweifel, dass die
Gesetze, und folglich der allgemeine Wille, dessen Aus¬
druck die Gesetze ja sind, der Gerechtigkeit unterge¬
ordnet sein müssen. Aber welche Entwicklungen ver¬
langt diese Wahrheit noch, ehe sie angewendet werden
kann! Was ist nun mit dieser Behauptung Montesquieus
geschehen, als jene Entwicklungen ausblieben? Oft sind
die Machthaber vom Grundsatz ausgegangen, dass die
Gerechtigkeit vor den Gesetzen bestanden habe, um
die Menschen rückwirkenden Gesetzen zu unterwerfen
oder um sie der Wohltat der bestehenden Gesetze zu
berauben, und auf solche Art haben sie mit einer ge¬
heuchelten Achtung vor der Gerechtigkeit die empö¬
rendste Ungerechtigkeit verdeckt. Bei derlei Dingen
muss man sich also ganz besonders vor unbestimmten
Grundsätzen hüten.
Montesquieu hat übrigens in seiner Definition der
Freiheit die Grenzen der gesellschaftlichen Macht ver¬
kannt .«Die Freiheit,» sagt er, «ist das Recht, alles zu
tun, was die Gesetze erlauben.» Ohne Zweifel besteht
keine Freiheit, wenn die Bürger all das nicht tun kön¬
nen, was die Gesetze nicht verbieten; indessen könnten
die Gesetze so viele Dinge verbieten, dass es gar keine
Freiheit mehr gäbe.
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