Aber jede Wahrheit trägt Früchte. Auch diejenige,
die in der Seele der Reformatoren des 16. Jahrhun¬
derts das Gefühl für das Recht auf geistige Unab¬
hängigkeit geweckt hatte, brach bald die Ketten, in
welche ihre ersten Verkünder sie zu legen versucht
hatten. Im Schoss der protestantischen Kirche zeigt
sich heute das Christentum, das gleichzeitig seine
alte Reinheit und seine unbegrenzte Vervollkomm¬
nungsfähigkeit zurückgewonnen hat, als eine allen
Jahrhunderten zeitgemässe Lehre; denn es schreitet
mit den Jahrhunderten vorwärts. Es ist für alle Er¬
kenntnisse aufgeschlossen; denn es nimmt sie alle
auf und macht sie sich zu eigen. Es bereichert sich
an allen Entdeckungen, denn es kämpft gegen keine
an. Es hält sich stets auf der Höhe der Zeit und
scheidet alle Begriffe aus, die hinter den Schritten
Zurückbleiben, welche der menschliche Geist Tag
für Tag tut.
Wenn irgendwer aus Unwissenheit oder schlech¬
tem Willen oder vielleicht aus persönlichen oder
örtlichen Rücksichten unsere Aussagen bestreiten
sollte, so würden wir ihn auf die Werke der bedeu¬
tendsten protestantischen Theologen Deutschlands
verweisen.
Wir denken, dass man von nun an von diesem
Grundsatz ausgehen muss, wenn man der Religion
die einzige ihrer würdige Ehre erweisen und ihr
gleichzeitig die alleinigen festen und unerschütter¬
lichen Grundlagen geben will. Auf diese Art werden
wir in den folgenden Erwägungen Vorgehen.
Wir sagen, dass die Religion ein dem Menschen
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